Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
in dieser Schenke umgeht.«
Nach dieser Rede hielt ihn der Häscher für einen Unsinnigen; da es aber schon anfing Tag zu werden, machte er die Tür der Schenke auf und rief den Wirt, dem er die Bitte dieses verständigen Mannes mitteilte. Der Wirt gab ihm sogleich das Verlangte, und Sancho ging zu Don Quixote zurück, der den Kopf auf die Hände stützte und sich über den Lampenschlag sehr beklagte, der ihm aber kein anderes Übel als zwei tüchtige Beulen zugefügt hatte, denn was er für Blut hielt, war nur Schweiß, den er dieses Vorfalls halber und wegen des überstandenen Leidens vergoß. Er nahm nun sogleich die Simpla, aus denen er ein Kompositum machte, indem er sie zusammentat und eine gute Zeit kochen ließ, bis sie nach seiner Meinung die gehörige Tüchtigkeit erreicht hatten. Er forderte alsbald eine Flasche, um den Trank hineinzugießen, da aber in der Schenke keine zu haben war, so entschloß er sich, ihn in ein Ölbehältnis aus Blech zu tun, mit welchem ihm der Wirt großmütig ein Geschenk machte. Hierauf betete er über das Behältnis wohl achtzig Paternoster, ebenso viele Ave Marias, Salves und Credos, und bei jedem Worte machte er ein Kreuz, als wenn er sie einsegnete; bei diesem ganzen Vornehmen waren Sancho, der Wirt und der Häscher gegenwärtig, denn der Eseltreiber war stillschweigend fortgegangen, um seine Tiere abzufüttern.
Nachdem er alles vollbracht hatte, wollte er gleich die Trefflichkeit seines erfundenen köstlichen Balsams probieren, er trank also das Übriggebliebene aus, was er nicht in die Ölflasche hatte füllen können, und es war wohl ein Viertel Quart in dem Kochtopfe zurückgeblieben. Er hatte es aber kaum getrunken, als ihn ein so heftiges Erbrechen befiel, daß er nichts im Magen behielt, und durch seine Anstrengung und Ängstigung geriet er in einen starken Schweiß, worauf er befahl, daß man ihn zudecken und allein lassen solle. Sie taten es, und er schlief über drei Stunden, worauf er erwachte und sich so stark fühlte und seine Schmerzen so gelindert, daß er sich für ganz gesund hielt und wirklich glaubte, er besitze nun den Balsam des Fierabras, mit welchem er nun künftig ohne Furcht alle Kämpfe, Schlachten und Händel, seien sie auch noch so gefährlich, bestehen könne.
Sancho Pansa, der seinen Herrn auch zum Erstaunen besser fand, bat um das, was noch im Topfe zurückgeblieben sei, welches nicht wenig war. Don Quixote bewilligte ihm dieses, und er ergriff mit vollem Zutrauen und der größten Begierde den Topf mit beiden Händen und trank wohl ebensoviel als sein Herr hinunter. Der Magen des armen Sancho mußte aber von schwächerer Reizbarkeit sein, denn vor dem Erbrechen hatte er solche Beängstigungen, wobei er schwitzte und sich quälte, daß er fest überzeugt war, daß dies seine letzte Stunde sei, worüber er ebenso böse als traurig wurde, und den Balsam und den Totschläger, der ihn ihm gegeben hatte, verwünschte. Da Don Quixote dies sah, sagte er: »Ich glaube, Sancho, daß dein ganzes Unheil daher rührt, daß du nicht zum Ritter geschlagen bist, denn ich bin der Meinung, daß niemand, der nicht Ritter ist, sich dieses Getränkes bedienen dürfe.«
»Wenn Ihr das wußtet«, versetzte Sancho, »warum in Satans Namen habt Ihr es mich denn kosten lassen?« Indem fing der Balsam an zu wirken und der arme Stallmeister entledigte sich seiner Bürde aus beiden Kanälen mit solcher Eile, daß weder die Binsenmatte, auf der er lag, noch das Tuch, mit dem er zugedeckt war, jemals wieder gebraucht werden konnten. Er schwitzte unter solchen Beklemmungen und Martern, daß nicht bloß er, sondern alle übrigen glaubten, sein Leben ginge zu Ende. Dieses Ungewitter und Übelbefinden dauerte ungefähr zwei Stunden, worauf er sich nicht so wie sein Herr befand, sondern so erschöpft und ermattet war, daß er sich nicht auf den Beinen halten konnte. Don Quixote aber, der sich, wie gesagt, gesund und kräftig fühlte, wünschte gleich abzureisen, um Abenteuer aufzusuchen, denn jeder Augenblick, den er zögerte, schien ihm ein Verlust für die Welt und die Unglücklichen, die seiner Hilfe und seines Beistandes bedürften, vorzüglich da er nun auf seinen Balsam vertrauend um so sicherer zum Werke schreiten könne; von seinem Vorhaben angetrieben, sattelte er also selbst den Rosinante und zäumte das Tier seines Stallmeisters auf, den er hierauf anziehen half und ihn dann auf den Esel setzte. Alsbald stieg er selbst zu Pferde und ergriff eine Stange, die in
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