Don Quixote
Prinzen, welches wir sind, daß Ihr unser Gewissen nicht beschweren mögt und uns eine Sache, die wir nie sahen, nie hörten, bekennen laßt, die so sehr zum Nachteil aller Kaiserinnen und Königinnen von Alcarria und Estremadura ausfallen dürfte; aber Euer Gnaden sei nur von der Güte, uns ein Bildnis dieser Dame zu zeigen, wäre es auch nur so groß als ein Weizenkorn; denn wenn man dem Faden nachgeht, so findet man auch den Knäuel, und damit wollen wir uns dann zufriedenstellen und Euch Genüge leisten; ich glaube selbst, daß wir alle schon so für sie eingenommen sind, daß, wenn man auch auf dem Bildnis sähe, daß das eine Auge schief sei und ihr aus dem andern Zinnober und Schwefelstein triefe, wir dessenungeachtet, um Euch gefällig zu sein, alles zu ihren Gunsten sagen wollen, was Ihr nur verlangen werdet.«
»Nichts fließt, niederträchtige Bestie«, rief Don Quixote im Zorne entbrannt, »nichts fließt, sag ich dir, was du behauptest, außer Ambra und Zibet zwischen Seiden, nichts ist schief oder bucklig, sondern sie ist gerader als eine Spindel von Guadarrama; aber Ihr sollt die schreckliche Lästerung bezahlen, die Ihr gegen die große Schönheit meiner Dame ausgestoßen habt.«
Mit diesen Worten legte er die Lanze gegen den, der gesprochen hatte, ein und rannte mit solcher Wildheit und Wut auf ihn zu, daß, wenn es sich nicht so glücklich getroffen hätte, daß Rozinante mitten im Wege gestolpert und gefallen wäre, es wohl dem übermütigen Kaufmanne übel ergangen sein möchte. Rozinante stürzte und rollte seinen Herrn eine gute Strecke ins Feld hinein. Dieser gab sich Mühe aufzustehen, aber er vermochte es nicht, so hinderte ihn die Lanze, der Schild, die Sporen, der Helm und das Gewicht der alten Rüstung. Indem er sich bestrebte aufzustehen und es doch nicht konnte, rief er: »Flieht nicht, feiges Gesindel, elendes Gesindel! Vernehmt, daß ich nicht durch meine Schuld, sondern durch Schuld meines Pferdes hier liege.« Als einer von den Maultierjungen, der nicht sonderlich aufgeräumt sein mochte, den armen Umgefallenen diese Schmähungen sagen hörte, konnte er dies nicht leiden, ohne ihm eine Antwort auf die Schultern zu geben. Er ging hin zu ihm, nahm seine Lanze, zerbrach sie in mehrere Stücke, und mit dem einen davon fing er an, unserm Don Quixote so viele Schläge zu geben, daß er ihn unter der Last und dem Drucke seiner Waffen wie Getreide mahlte. Seine Herren riefen ihm zu, daß es genug sei und er ihn lassen möchte, aber der Junge war einmal erbittert und wollte das Spiel nicht verlassen, ohne alle seine Forcen rein auszuspielen; er nahm also auch die übrigen Stücke der Lanze und zerschlug sie alle auf dem elenden Niedergestürzten, der während des Ungewitters von Schlägen, das auf ihn niederfiel, nicht das Maul hielt, sondern dem Himmel, der Erde und den Straßenräubern drohte, wofür er sie hielt.
Der Junge wurde müde, und die Kaufleute setzten ihren Weg
fort und hatten noch viel von dem armen Geprügelten zu sprechen. Als dieser sich allein sah, versuchte er es von neuem, sich aufzuheben; aber da es ihm unmöglich war, als er gesund und wacker war, wie konnte er es jetzt, so zermahlen und zerprügelt, ausrichten? Dabei aber pries er sich doch glücklich, denn er hielt dies für ein Unglück, das nur den irrenden Rittern eigentümlich sei, wobei er alle Schuld auf sein Pferd schob. Er konnte sich aber durchaus nicht aufheben, denn er war am ganzen Körper zerschlagen.
5. KAPITEL
Fährt fort, von dem Unfalle unsers Ritters zu erzählen
Da er sich nun gar nicht bewegen konnte, so verfiel er endlich auf sein gewöhnliches Mittel, nämlich an irgendeine Stelle in seinen Büchern zu denken. Seine Torheit brachte ihm eine vom Balduin ins Gedächtnis und vom Marques von Mantua, als Carlot den Balduin verwundet im Gebirge ließ: diese Geschichte, welche die Kinder kennen, die jungen Leute wissen, die Alten lobpreisen und außerdem glauben und die bei alledem nicht wahrhafter ist, als es die Wunderwerke Mahomeds sind. Diese also erschien ihm so, daß sie für seine Umstände, wie dazu gegossen, passe; er wälzte sich daher mit dem Ausdrucke eines großen Schmerzes auf der Erde herum und sagte mit schwacher Stimme alles, was der verwundete Ritter soll gesprochen haben:
Wo verweilst du, meine Herrin, Daß dich jammert nicht mein Schmerz?
Wohl kennst du ihn nicht, Gebietrin, Oder hast die Treu verscherzt.
So fuhr er in der Romanze bis zu den Versen fort:
Edler Marques
Weitere Kostenlose Bücher