Don Quixote
Clara und Dorothea, denn jene hatte die Angst, daß ihr Geliebter so nahe sei, und diese Neugier, ihn zu sehen, diese Nacht äußerst wenig schlafen lassen. Als Don Quixote sah, daß keiner von den vier Fremden auf ihn achtgab oder seine Frage beantwortete, wollte er vor Verdruß und Ärger rasend werden, und wenn es ihm die Gesetze der Ritterschaft erlaubt hätten, daß ein irrender Ritter eine zweite Unternehmung anfangen dürfte, wenn er sein Wort gegeben, sich in keine einzulassen, bis er die erste beendigt, so hätte er sie alle angegriffen und sie wider Willen zu einer Antwort gezwungen; da er aber glaubte, daß es ungeziemlich und ihm nicht vergönnt sei, eine neue Unternehmung anzufangen, bevor er die Mikomikonische in ihr Reich eingesetzt, so gab er sich zufrieden und wartete ab, was aus den Nachforschungen der Reisenden herauskommen würde. Einer von ihnen fand den jungen Menschen, der an der Seite eines Eseltreibers schlief und nicht daran dachte, daß man ihn suchen, viel weniger finden würde. Dieser zog ihn beim Arme auf und sagte: »Wahrlich, Don Luis, diese Tracht ziemt sich sehr gut für Euren Stand und das Bett, in dem ich Euch finde, für die Erziehung, die Euch Eure Mutter gegeben hat.«
Der junge Mensch rieb die schlaftrunkenen Augen und betrachtete dann den, der vor ihm stand; da er sah, daß dieser ein Diener seines Vaters sei, erschrak er so, daß er lange Zeit kein Wort hervorbringen konnte. Der Diener fuhr indessen so fort: »Hier ist nun weiter nichts zu tun, Don Luis, als geduldig mit uns zurückzugehen, wenn Ihr nicht wollt, daß Euer Vater, unser Gebieter, in die andere Welt hinübergehe; denn so weit wird es der Gram bringen, den er über Eure Entfernung empfindet.«
»Aber wie wußte denn mein Vater«, fragte Don Luis, »daß ich diesen Weg genommen, und in dieser Kleidung?«
»Ein Student«, antwortete jener, »dem Ihr Euren Vorsatz mitgeteilt habt, hat es entdeckt, denn der Jammer Eures Vaters, als Ihr vermißt wurdet, bewog ihn dazu, und so hat dieser gleich vier Diener ausgesandt, Euch zu suchen; wir alle sind nun zu Euren Diensten hier und so froh, wie man es gar nicht sagen kann, wegen der glücklichen Botschaft, die wir zurückbringen können, daß wir Euch den Augen wiederbringen, die Euch so unaussprechlich lieben.«
»Das wird gehen, wie es mir gefällt oder wie der Himmel will«, antwortete Don Luis.
»Was kann Euch anders gefallen oder der Himmel anders wollen, als daß Ihr mit uns umkehrt? Etwas anderes wird nicht möglich sein.«
Alles, was die beiden sprachen, hörte der Maultierbursche, der bei Don Luis war; er stand also auf und erzählte dem Don Fernando, Cardenio und den übrigen, die sich schon angezogen hatten, was vorgefallen sei und wie der Bediente den jungen Menschen Don nenne und was sie miteinander sprächen, wie er ihn wolle nach dem Hause seines Vaters zurückbringen und wie der junge Mensch sich dagegensetze. Nach dem, was sie jetzt von ihm hörten, und da sie seine schöne Stimme kannten, die ihm der Himmel verliehen hatte, wünschten alle sehr, genauer zu erfahren, wer er sei, ihm auch beizustehen, wenn ihm etwa Gewalt geschehen sollte; sie begaben sich also dahin, wo er mit seinem Diener immer noch im Streite begriffen war. Auch Dorothea kam aus ihrem Gemache, und die geängstigte Doña Clara folgte ihr; Dorothea rief den Cardenio beiseit und erzählte ihm ganz kurz die Geschichte des Sängers und der Doña Clara, der er wiederum sagte, was sich mit dem jungen Menschen und mit den Dienern seines Vaters, die ihn aufsuchten, zugetragen hatte, und dies konnte er nicht so leise erzählen, daß es Doña Clara nicht hätte hören sollen, die darüber so außer sich geriet, daß, wenn Dorothea nicht herbeigeeilt, sie zu halten, sie zur Erde gestürzt wäre. Cardenio riet der Dorothea, daß sie in ihr Gemach zurückkehren möchten, denn er wolle alles vermitteln; worauf sie seinem Rate folgten.
Alle vier, die den Don Luis aufgesucht hatten, standen jetzt in der Schenke um ihn her und redeten ihm zu, daß er sogleich im Augenblicke zurückkehren sollte, um seinen Vater zu beruhigen. Er sagte, daß er dies durchaus nicht eher tun könne, bis er etwas geendigt, wovon sein Leben, seine Ehre und seine Seele abhinge. Hierauf legten die Diener Hand an ihn, indem sie sagten, daß sie durchaus nicht ohne ihn zurückkehren würden, und sie würden ihn mitnehmen, er möchte es wollen oder nicht. »Das sollt ihr nicht tun«, versetzte Don Luis, »wenn ihr nicht
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