Don Quixote
Stallmeister los zu sein, werde ich mich freuen, mich arm und ohne einen Heller zu befinden. Aber sage mir, du Verderber aller stallmeisterlichen Regeln in der irrenden Ritterschaft, wo hast du gesehen oder gelesen, daß irgendein Stallmeister eines irrenden Ritters sich mit seinem Herrn in Berechnungen eingelassen, soundso viel sollt Ihr mir jeden Monat mehr geben, wenn ich Euch diene? Beschiffe, beschiffe, Lump, Schelm und Ungeheuer, denn du scheinst mir dies alles zu sein, beschiffe, sage ich noch einmal, den Ozean ihrer Historien, und wenn du findest, daß irgendein Stallmeister das gesprochen, ja nur gedacht, was du jetzt gesprochen hast, so sollst du mir denselben an die Stirn nageln und mir als Zugabe noch vier tüchtige Fratzen in das Gesicht drücken. Wende die Zügel um oder den Strick deines Grauen und geh nach Hause, denn du sollst von jetzt an auch nicht einen einzigen Schritt weiter mit mir ziehen. O schlecht vergoltenes Brot! O übel angewandte Versprechungen! O du Kerl, der du mehr vom Viehe als von einem Menschen hast! Jetzt, da ich dachte, dein Glück zu machen, und zwar so, daß man dich, deiner Frau zum Trotz, Exzellenz nennen müßte, nimmst du Abschied? Jetzt gehst du, da ich mit dem festen und unumstößlichen Entschlusse umging, dich zum Herrn der besten Insel von der Welt zu machen? Freilich, wie du oftmals selbst gesagt hast: Trauben sind für keinen Esel, ein Esel bist du, und ein Esel wirst du sein, und ein Esel wirst du bleiben, solange der Lauf deines Lebens dauert; denn ich bin überzeugt, daß du noch früher dein Ende erreichen wirst, als du zu der Einsicht kommst, daß du eine Bestie seiest.«
Sancho schaute den Don Quixote unverwandt an, indes dieser ihm diese Schimpfreden sagte, und schlug so sehr in sich, daß ihm die Tränen in die Augen kamen und er mit kläglicher und schwacher Stimme sagte: »Gnädiger Herr, ich gestehe, daß, um völlig ein Esel zu sein, mir nichts als der Schwanz fehlt; wenn Ihr mir den ansetzen wollt, so will ich ihn für gut angebracht halten und Euch als Esel alle Tage hindurch dienen, die mir noch von meinem Leben übrigbleiben. Verzeiht mir, gnädiger Herr, und entschuldigt meine Jugend; bedenkt doch, daß ich wenig weiß, und wenn ich viel rede, so geschieht es mehr aus Dummheit als aus Bosheit. Aber wer fehlt und sich bessert dann, hat vor Gott wohlgetan.«
»Ich würde mich gewundert haben, Sancho, wenn du nicht ein Sprichwörtchen in dein Gespräch eingemischt hättest. Nun wohl dann, ich verzeihe dir, doch mit der Bedingung, daß du dich besserst und daß du dich künftig nicht so eigennützig zeigst, sondern daß du suchst, dein Herz zu erweitern, und dich mit der Hoffnung auf die Erfüllung meiner Versprechungen ermutigst und erfrischest; denn wenn sie sich auch verzögern, so sind sie deswegen doch nicht unmöglich.«
Sancho antwortete, daß er es tun wolle, wenn er auch Kräfte aus der Schwäche sammeln sollte. Unter diesen Gesprächen gelangten sie in das Wäldchen, und Don Quixote ließ sich an dem Fuße einer Ulme wie Sancho an dem einer Buche nieder; denn dergleichen und andere ihnen ähnliche Bäume pflegen gewöhnlich Füße, aber keine Hände zu haben. Sancho brachte die Nacht verdrießlich zu; denn in der freien Luft schmerzten die Prügel um so mehr. Don Quixote brachte sie unter seinen gewöhn lichen Gedanken hin; aber dennoch verschloß der Schlaf beider Augen, und als der Morgen anbrach, setzten sie ihren Weg fort, indem sie die Ufer des berühmten Ebro aufsuchten, wo ihm das begegnete, was das folgende Kapitel erzählen wird.
12. [29.] KAPITEL
Das große Abenteuer mit der bezauberten Barke
Nachdem sie ihren Weg fortgesetzt hatten – um die Erzählung fortzusetzen –, so erreichten Don Quixote und Sancho, zwei Tage nachher, als sie das Pappelwäldchen verlassen hatten, den Fluß Ebro, dessen Anblick dem Don Quixote große Freude machte; denn er sah nun die Annehmlichkeit seiner Ufer, die Klarheit seines Wassers, seinen ruhigen Lauf und die Fülle seiner flüssigen Kristalle, welcher angenehme Anblick tausend verliebte Gedanken in seinem Gedächtnisse erneuerte, vorzüglich wieder dasjenige, was er in der Höhle des Montesinos gesehen hatte; denn wenn ihm auch Meister Peters Affe gesagt hatte, daß ein Teil jener Dinge Wahrheit und ein Teil Lügen seien, so hielt er sich mehr an das Wahre als an das Erlogene, ganz im Widerspiel des Sancho, der alles für eine einzige Lüge ausgab. Indem er noch in dieser Stimmung war, zeigte
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