Don Quixote
Beredsamkeit«, antwortete Don Quixote, »ist das nämliche wie die Beredsamkeit des Demosthenes, und Ciceronische wie die des Cicero, welches die beiden größten Redner in der Welt gewesen sind.«
»So ist es«, sagte der Herzog, »und Ihr habt mit dieser Frage Eure wenige Gelehrsamkeit an den Tag gegeben. Dessenungeachtet aber würde uns Herr Don Quixote das größte Vergnügen machen, wenn er sie uns schildern wollte: denn ich bin überzeugt, daß, wenn er sie auch nur in einer leichten Skizze entwirft, sie doch so erscheinen wird, daß die Schönsten sie beneiden müssen.«
»Dieses würde ich gewiß tun«, antwortete Don Quixote, »wenn das Unglück, welches sie seit kurzem getroffen, mir sie nicht gänzlich aus meiner Idee verwischt hätte, welches so beschaffen ist, daß ich sie lieber beweinen als beschreiben möchte; denn Euer Hoheiten müssen wissen, daß, als ich vor einigen Tagen ging, ihr die Hände zu küssen und ihren Segen zu empfangen, ihr Wohlwollen und ihre Erlaubnis zu diesem dritten Auszuge, fand ich eine andere, als die ich suchte. Ich fand sie bezaubert und aus einer Prinzessin in eine Bäuerin verwandelt; aus einer Schönen in eine Häßliche; aus einem Engel in einen Teufel; aus einer lieblich Duftenden in eine Verpestete; aus einer Beredten in eine Grobe; aus einer Anständigen in eine Springerin; aus Licht in Finsternis; und kurz, aus Dulcinea von Toboso in eine gemeine Bauerdirne.«
»Aber um Gottes willen«, sagte hierauf der Herzog mit einem lauten Ausruf, »wer ist derjenige, der der Welt ein so großes Übel zugefügt hat? Wer hat ihr die Schönheit entrissen, die sie erfreute, die Anmut, die sie zierte, und die Anständigkeit, die sie schmückte?«
»Wer?« antwortete Don Quixote, »wer könnte es anders sein als ein boshafter Zauberer, einer von den vielen neidischen, die mich verfolgen? Diese verwünschte Rotte, die zur Welt geboren ist, um die Taten der Rechtschaffenen zu verdunkeln und zu vernichten und um das zu erheben und ins Licht zu stellen, was die Bösen verüben. Zauberer haben mich verfolgt, Zauberer verfolgen mich, und Zauberer werden mich verfolgen, bis sie mich und meine erhabenen Rittertaten in den tiefen Abgrund der Vergessenheit begraben. Und nun treffen und verwunden sie mich auf einer Seite, wo sie wissen, daß ich es am meisten empfinde; denn einem irrenden Ritter seine Dame nehmen heißt ihm die Augen nehmen, mit denen er sieht, die Sonne, von der er erleuchtet wird, und die Nahrung, durch welche er sich erhält. Ich habe es schon oftmals gesagt und sage es jetzt noch einmal, daß der irrende Ritter ohne Dame wie ein Baum ohne Blätter ist, wie ein Gebäude ohne Grundlage, wie ein Schatten ohne Körper, der ihn verursacht.«
»Dagegen ist nichts zu sagen«, sagte die Herzogin; »wenn wir aber der Historie Glauben beimessen sollen, die seit einiger Zeit vom Herrn Don Quixote an das Licht der Welt getreten ist und allgemeinen Beifall erhält, so läßt sich aus dieser abnehmen, wenn ich mich recht erinnere, daß Euer Gnaden niemals diese Dame Dulcinea gesehen hat und daß diese Dame sich nicht in der Welt befindet, sondern daß sie ganz phantastisch sei und daß Ihr sie in Eurem Verstande erzeugt und geboren habt und mit aller möglichen Anmut und Vollkommenheit ausgeschmückt.«
»Darüber ließe sich vieles sagen«, antwortete Don Quixote; »Gott weiß, ob es eine Dulcinea in der Welt gibt oder nicht, ob sie phantastisch oder nicht phantastisch ist; denn dergleichen gehört nicht zu denen Dingen, deren Erörterung man bis auf den Grund verfolgen kann. Weder gezeugt noch geboren habe ich meine Dame, ob sie mir gleich so vorschwebt, wie es einer solchen Dame geziemt, die alles besitzt, um sie in aller Welt berühmt zu machen, als durch folgende Gaben: Schönheit ohne Tadel, Ernst ohne Stolz, Liebe mit Ehrbarkeit, Anmut durch Artigkeit, Artigkeit durch Wohlgezogenheit, und endlich, erhaben durch ihre Abstammung; denn in einem edlen Blute glänzt und leuchtet die Schönheit heller wie in Schönheiten, die niedrig geboren sind.«
»So ist es«, sagte der Herzog. »Aber Herr Don Quixote gebe mir die Erlaubnis, etwas zu sagen, wozu mich die Historie von seinen Taten bewegt, die ich gelesen habe und woraus sich ergibt, daß, wenn Dulcinea auch in Toboso oder an einem andern Orte sei und wenn sie auch mit der äußersten Schönheit begabt ist, wie Ihr sie uns geschildert habt, in der Abstammung sie sich doch nicht mit den Orianen vergleichen darf, mit den
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