Don Quixote
auf dem Pfade der wahrhaftigen Religion; ich aber, von meinem Gestirne geleitet, wandle auf der engen Bahn der irrenden Ritterschaft, in deren Ausübung ich zwar die Güter, aber keineswegs die Ehre verachte. Ich habe Beleidigungen gutgemacht, Ungeradheiten gerade, Unverschämtheiten bestraft, Giganten überwunden und Gespenster bekämpft. Ich bin verliebt, aber nicht weiter, als es die irrenden Ritter durchaus sein müssen, und deswegen bin ich kein lasterhafter Liebender, sondern einer der enthaltsamen platonischen. Meine Absichten habe ich immer auf gute Endzwecke gerichtet, nämlich allen gut und keinem Böses zu tun. Ob derjenige, der dieses will; ob derjenige, der so handelt, ob derjenige, der dieses ausübt, ein Narr genannt zu werden verdiene, das mögen Eure Hoheiten, mein durchlauchtiger Herzog und Herzogin, entscheiden.«
»Höchst vortrefflich, bei Gott!« sagte Sancho, »sagt nichts weiter, mein gnädigster Herr, zu Eurer Rechtfertigung; denn es ist weiter nichts zu sagen oder zu denken oder irgend in der Welt noch zu erinnern; um so mehr dieser Herr leugnet, daß es in der Welt weder irrende Ritter gibt noch gegeben habe; was Wunder! da er nichts von den Sachen versteht, wovon er spricht.«
»Vielleicht«, sagte der Geistliche, »seid Ihr, mein Freund, jener Sancho Pansa, dem sein Herr eine Insel versprochen haben soll?«
»Freilich bin ich der nämliche«, antwortete Sancho, »und ich verdiene sie wohl ebensogut als irgendein anderer. Ich bin einer, der sich zu den Guten hält und selber einer von ihnen werden wird; und ich bin einer von denen, nicht mit wem du geboren, sondern mit wem du geschoren, und von denen, wer an einen guten Baum sich stützt, wird auch durch guten Schatten geschützt. Ich habe mich an meinem braven Herrn gestützt; und schon seit vielen Monaten bin ich in seiner Gesellschaft und werde ein zweiter Er werden, wenn es Gott gefällt. Und bleibe er nur leben und ich, so wird es ihm nicht an Königreichen fehlen, die er beherrscht, noch mir an Inseln, die ich regieren kann.«
»Wahrhaftig nicht, Freund Sancho«, sagte hierauf der Herzog; »denn ich übergebe Euch im Namen des Herrn Don Qui xote die Statthalterschaft von einer, die ich unter etlichen andern besitze und die nicht unbedeutend ist.«
»Knie nieder, Sancho«, sagte Don Quixote, »und küsse Seiner Exzellenz die Füße für die Gnade, die sie dir erzeigt hat.«
Sancho tat es; als aber der Geistliche dies sah, stand er im äußersten Zorne vom Tische auf und sagte: »Vermöge des Kleides, welches ich trage, muß ich bekennen, daß Euer Exzellenz so albern sind wie diese Sünder. Es ist kein Wunder, daß sie närrisch sind, wenn die Klugen ihre Narrheiten autorisieren. Bleibe Euer Exzellenz in ihrer Gesellschaft; denn solange sie im Hause sind, werde ich mich in dem meinigen aufhalten und mir die Mühe sparen, das zu tadeln, was ich nicht bessern kann.« Ohne weiter etwas zu sagen oder noch zu essen, ging er fort, so daß die Bitten der Herzoge nicht vermögend waren, ihn zurückzuhalten, obgleich ihm der Herzog nicht viel sagte, woran ihn das Lachen verhinderte, welches sein übertriebener Ärger ihm erregt hatte.
Der Herzog hörte endlich auf zu lachen und sagte zu Don Quixote: »Euer Gnaden, der Herr Ritter von den Löwen, hat für sich schon so erhaben geantwortet, daß er weiter keine Genugtuung braucht über das, was zwar einer Beleidigung gleichsieht, es aber auf keine Weise ist, denn so, wie Weiber nicht beleidigen können, können es auch die Geistlichen nicht, wie Ihr es besser wissen werdet als ich.«
»So ist es«, antwortete Don Quixote; »denn derjenige, der nicht beleidigt werden kann, kann auch keinen andern beleidigen. Die Weiber, die Kinder und die Geistlichen, da sie sich nicht verteidigen können, wenn sie auch beleidigt werden, können nicht beschimpft werden; denn zwischen der Beleidigung und der Beschimpfung ist dieser Unterschied, wie Euer Exzellenz wissen wird. Die Beschimpfung kömmt von einem, der sie geben kann, sie auch gibt und fortführt; die Beleidigung aber kann von jeglichem kommen, ohne daß sie beschimpft. Zum Beispiel, es geht einer sorglos auf der Gasse, zehn kommen mit bewehrter Hand und schlagen ihn; er zieht den Degen und tut seine Schuldigkeit, aber die Menge seiner Gegner ist ihm hinderlich, so daß er seine Absicht nicht durchführen kann, sich nämlich zu rächen. Ein solcher ist beleidigt, aber nicht beschimpft. Das nämliche wird ein anderes Beispiel bestätigen. Einer
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