Don Quixote
anzunehmen war, daß dort das offene Ende von dem Schlunde sei, welcher für ihn der Weg zum andern Leben war.
Hier läßt ihn Cide Hamete Benengeli und kehrt um, um von Don Quixote zu handeln, der mit Unruhe und Zufriedenheit den Zweikampf erwartete, den er mit dem Ehrenschänder der Tochter der Doña Rodriguez halten sollte, der er das Unrecht und die Übeltat wiedergutmachen wollte, die jener böslicherweise begangen hatte.
Es traf sich nun, daß er an einem Morgen ausritt, um sich in allem zu üben und geschickt zu machen, was er in jenem Kampfe nötig zu haben glaubte, der ihm am folgenden Tage bevorstand, und indem er den Rozinante ausrennen ließ und kurz umschwenkte, kam dieser mit den Füßen einer Höhle so nahe, daß, wenn er nicht die Zügel heftig zurückgerissen hätte, er es nicht vermeiden konnte, hinunterzustürzen. Doch hielt er das Pferd zurück und fiel nicht hinein, ritt aber ziemlich nahe hinzu und schaute, ohne abzusteigen, in die Tiefe hinunter, und indem er so stand und hinabsah, hörte er von unten ein lautes Geschrei, und da er aufmerksam hinhörte, konnte er deutlich vernehmen, daß man rief : »He, da oben! Ist denn kein Christenmensch da, der mich hört, oder ein mitleidiger Ritter, der sich einen armen Sünder dauern läßt, der bei lebendigem Leibe begraben ist, eines unglückseligen, unstatthaften Statthalters?«
Dem Don Quixote dünkte, als wenn er die Stimme des Sancho Pansa hörte, worüber er erstaunt und erschrocken war, er erhob seine Stimme, sosehr er nur konnte, und sagte: »Wer ist da unten? Wer jammert dort?«
»Wer sollte hier sein, oder wer sollte hier jammern«, war die Antwort, »als der verfolgte Sancho Pansa, für seine Sünden und zu seinem Verderben Statthalter der Insel Barataria, vormaliger Stallmeister des weltberühmten Ritters Don Quixote von la Mancha.«
Als Don Quixote dies hörte, verdoppelte sich seine Verwunderung, und sein Erschrecken nahm zu; ihm kam der Gedanke, daß Sancho Pansa tot sein müsse und daß seine Seele hier Buße tue; in dieser Einbildung sagte er: »Ich beschwöre dich bei allem, wobei ich dich als katholischer Christ beschwören kann, sage mir, wer du bist und ob du eine büßende Seele seist; sage mir, was du verlangst, das ich für dich tun soll, denn da es mein Gewerbe mit sich bringt, den Notleidenden dieser Welt beizustehen und zu Hülfe zu kommen, so wird es sich auch für mich schicken, den Hülfsbedürftigen der andern Welt zu Hülfe zu kommen und beizuspringen, die sich nicht selber helfen können.«
»Also«, war die Antwort, »ist der Herr, der mit mir spricht, wohl mein gnädiger Herr Don Quixote von la Mancha selber, und nach dem Ton der Stimme kann es auch kein anderer sein.«
»Don Quixote bin ich«, versetzte Don Quixote, »er, dessen Gewerbe es ist, beizustehen und zu Hülfe zu kommen in ihren Bedrängnissen sowohl den Lebendigen wie den Toten; aber sage mir nur, wer du seist, denn noch bin ich voller Erstaunen; denn wenn du mein Stallmeister Sancho Pansa und gestorben bist, falls dich nur nicht die Teufel geholt haben und du dich durch die Barmherzigkeit Gottes im Fegefeuer befindest, so hat unsere heilige Mutter, die römisch-katholische Kirche, Hülfsmittel genug, dich aus der Pein zu nehmen, in der du dich befindest, und ich will sie meinerseits dahin bewegen, soviel nur mein ganzes Vermögen vermag; darum erkläre dich endlich und sage mir, wer du bist.«
»So schwöre ich doch«, war die Antwort, »bei der Geburt, wessen Ihr nur wollt, ich schwöre Euch, mein gnädiger Herr Don Quixote von la Mancha, daß ich Euer Stallmeister Sancho Pansa bin und daß ich zeit meines Lebens noch nicht gestorben bin; sondern ich habe meine Statthalterschaft niedergelegt, aus beweglichen und unerträglichen Ursachen, zu denen man mehr Zeit braucht, sie zu sagen; in der Nacht fiel ich in diese Grube, wo ich nun bin; der Graue ist mein Zeuge, der mich nicht Lügen strafen wird, denn zum größeren Wahrzeichen! so ist er hier bei mir.«
Und was noch mehr war, so schien es wirklich, als wenn der Esel verstände, was Sancho sagte, denn in diesem Augenblicke fing er an, so hell zu brüllen, daß die ganze Höhle davon widerklang. »O du herrliches Zeugnis«, sagte Don Quixote, »dieses Brüllen kenne ich, als wenn ich es zur Welt geboren hätte, und auch deine Stimme vernehme ich, o mein Sancho; warte nur, ich will nach dem Schlosse des Herzogs reiten, welches hier nahebei ist, und Leute herbringen, die dich aus dem Abgrunde
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