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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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»falls ich den Handel verstehe.«
    »Die Sache, mein lieber Herr«, sagte ein Bauer, »ist die, ein Einwohner hier im Orte ist so dick, daß er eilf Stein wiegt, und der hat einen andern Einwohner zum Wettlauf aufgefordert, der nicht mehr als fünf schwer ist. Die Bedingung war, sie sollten eine Strecke von hundert Schritten mit gleichem Gewichte laufen, und da man den Ausforderer fragte, wie das Gewicht gleichgemacht werden sollte, sagte er, daß der Ausgeforderte, der nur fünf Stein wiegt, die übrigen sechs in Eisen an sich tragen müßte, und dadurch kämen dann beim Magern so gut wie bei dem Fetten eilf Stein heraus.«
    »Nein«, sagte Sancho hierauf, ehe noch Don Quixote antworten konnte, »mir kommt es zu, der ich noch kürzlich Statthalter und Richter war, wie die ganze Welt weiß, dergleichen zweifelhafte Sache auszumachen und jeden Prozeß zu entscheiden.«
    »Antworte in Gottes Namen, Freund Sancho«, erwiderte Don Quixote, »denn ich bin nicht in der Laune, einer Katze Krümchen zu geben, so wie mir der Verstand erschüttert und umgedreht ist.«
    Mit dieser Erlaubnis sagte Sancho zu den Bauern, die mit offnem Munde um ihn her standen und seinen Urteilsspruch erwarteten: »Lieben Freunde, das, was der Dicke fordert, ist unvernünftig und hat auch keinen Schein des Rechts für sich, denn wenn das seine Richtigkeit hat, daß der Ausgeforderte die Waffen wählen kann, so wird er keine solchen wählen, die ihm verhinderlich sind, ja, es ihm unmöglich machen, der Sieger zu sein; daher ist meine Meinung, daß der dicke Ausforderer sich abschabe, schabe, ausschneide, abnehme und herunterzwacke sechs Stein von seinem Fleische, hier oder da an seinem Körper, wo es ihm am besten dünkt, so werden ihm dann nur noch fünf Stein an Gewicht übrigbleiben, wodurch er dann mit den fünfen seines Gegners gleich und übereinstimmend wird, und so können sie mit gleichen Lasten laufen.«
    »Meiner Seele«, sagte ein Bauer, der den Urteilsspruch des Sancho hörte, »der Herr hat wie ein Engel gesprochen und ein Urteil gegeben wie ein Canonicus; aber der Dicke wird sich wahrhaftig nicht eine Unze von seinem Fette abschneiden lassen, viel weniger sechs Stein.«
    »Das beste ist, daß sie gar nicht laufen«, antwortete ein anderer, »damit der Magere nicht von der Last zerdrückt und dem Dicken nicht sein Fleisch abgeschnitten werde, sondern wir wollen die halbe Wette in Wein vertrinken und diese Herren mit uns in das beste Wirtshaus nehmen, und somit nehme ich den Mantel um, wenn es regnet.«
    »Ich, meine Herren«, antwortete Don Quixote, »sage Euch Dank ; ich kann mich aber keinen Augenblick aufhalten, denn Gedanken und traurige Begebenheiten zwingen mich, unhöflich zu scheinen und meinen Weg nicht langsam fortzusetzen.« Hiermit gab er dem Rozinante die Sporen und ritt fort, indem er sie alle verwundert zurückließ, da sie sowohl seine seltsame Gestalt wie den Verstand seines Dieners, denn dafür hielten sie den Sancho, gesehen und bemerkt hatten. Ein anderer Bauer sagte: »Wenn der Diener schon so verständig ist, wie sehr muß es nicht erst der Herr sein? Ich wette, daß, wenn sie zum Studieren nach Salamanca gehen, sie, ehe man sich's versieht, oberste Alkalden werden, denn alles ist Spaß, es darf einer nur tüchtig studieren und dann Freunde und Glück haben, so hat der Mensch, ehe er's am wenigsten denkt, einen Richterstab in der Hand oder eine Bischofsmütze auf dem Kopfe.«
    Diese Nacht brachten Herr und Diener mitten auf dem Felde unter dem freien und offnen Himmel zu, und als sie am folgenden Tage ihre Reise fortsetzten, sahen sie, daß ihnen ein Mann zu Fuß entgegenkam, mit einer Tasche um den Hals und einem Spieße oder spitzen Stocke in der Hand, die gewöhnlichen Abzeichen eines Fußboten; als dieser Don Quixote näher gekommen, verdoppelte er seine Schritte und lief schnell auf ihn zu, umarmte seinen rechten Schenkel, denn höher konnte er nicht reichen, und sagte zu ihm mit den Zeichen der größten Freude: »O mein gnädiger Herr Don Quixote von la Mancha, ach! welche große Freude wird in dem Herzen meines gnädigsten Herzogs entstehen, wenn er erfährt, daß Ihr nach seinem Schlosse zurückkehrt, denn er befindet sich noch immer mit der Frau Herzogin dort!«
    »Ich kenne Euch nicht, mein Freund«, antwortete Don Quixote, »auch weiß ich nicht, wer Ihr seid, wenn Ihr es mir nicht sagt.«
    »Ich, gnädiger Herr Don Quixote«, antwortete der Bote, »bin Tosilos, der Lakai meines gnädigen Herzogs,

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