Donner: Die Chroniken von Hara 3
jetzt tatsächlich zu den Schreitenden gehen, könnte das dein letzter Gang sein. Einen Träger des dunklen Funkens werden sie niemals am Leben lassen. Und dein Funken ist inzwischen nicht mehr rein licht.«
»Red keinen Unsinn. Sie werden die Veränderung gar nicht bemerken. Ich bin Heiler. Mein Funken ist überhaupt erst zu erkennen, wenn ich meine Gabe anrufe.«
»Dann dürfen wir ja alle gespannt sein, wie lange du ohne Magie auskommst.«
»Mit Sicherheit lange genug, um ihnen meine Geschichte vorzutragen. Danach werden sie wissen, dass keine Gefahr von mir ausgeht.«
»Wie heißt es doch gleich im Buch der Schöpfung? Selig sind die Gläubigen.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du solche Schriften liest«, erwiderte er grinsend.
»Ich stecke eben voller Überraschungen. Im Übrigen brauche ich noch die Pfeilspitzen.«
Er wusste natürlich, wovon ich sprach, und schüttelte den Kopf. »Vergiss es!«
»Warst nicht du es, der mir gerade Vorträge über unsere Sicherheit gehalten hat? Was ist, hast du deine Meinung geändert?«
»Nein, aber …«
»Falls uns Typhus doch Scherereien macht, werde ich vielleicht nicht nahe genug an sie herankommen, um sie mit dem Funkentöter auszuschalten. Dann brauche ich einen Pfeil. Du willst ja wohl nicht, dass wir wegen deiner Uneinsichtigkeit alle untergehen, oder, mein Kleiner? Also, mach keine Sperenzchen und gib mir die Spitzen. Ich habe keine Lust, meine Zeit mit diesem Geplänkel zu vergeuden! Außerdem ist es schon fast dunkel.«
Er zögerte noch immer, wollte unseren Streit offenbar fortsetzen, brummte am Ende aber: »Ach, zum Reich der Tiefe mit dir!« und holte aus seiner Gürteltasche ein Bündel, schlug es auf und legte mir eine Pfeilspitze aus diesem seltsamen weißen Material auf die Hand.
»Aber mehr als eine bekommst du nicht«, stellte er klar.
»Und was, wenn ich danebenschieße?«
»Wirst du schon nicht«, versicherte Shen im Brustton der Überzeugung. »Ich hab immerhin gesehen, zu was du imstande bist.«
Als wir zum Rastplatz zurückkehrten, war es bereits so finster, dass wir uns am Licht des Lagerfeuers orientieren mussten. Ghbabakh schlief unter dem Wagen, Yumi briet das Fleisch, Typhus saß neben ihm und versuchte, ein Gespräch mit Rona anzuknüpfen. Die schwieg zwar, machte aber wenigstens keine Anstalten, die Verdammte anzugreifen.
»Lass sie sofort in Ruhe!«, brüllte Shen und wollte sich schon auf Typhus stürzen. Ich legte ihm jedoch beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
»Ganz ruhig«, verlangte ich.
»Ich habe nicht die Absicht, ihr Schaden zuzufügen«, versicherte Typhus. »Außerdem hat sie sich aus freien Stücken zu mir gesetzt.«
»Du lügst!«
»Nun komm mal wieder zu dir, Shen«, sagte Typhus, die allmählich die Geduld verlor. »Wenn du mir nicht glaubst, frag doch deine Freunde.«
»Das stimmt, Rona ist von sich aus zu ihr gwegwangwen«, bestätigte Ghbabakh aus der Dunkelheit.
»Ich kann ihr helfen«, erklärte Typhus.
»Lass die Finger von ihr!«, zischte Shen und führte Rona weg, die jetzt anfing zu jammern.
»Aus, du Hund«, fiepte Yumi und hielt der Verdammten ein Stück Fleisch hin.
»Danke«, sagte Typhus.
»Wie fühlst du dich eigentlich in diesem Körper?«, wollte ich von ihr wissen.
Typhus runzelte ungläubig die Stirn. »Wieso interessieren dich derartige Nichtigkeiten?«
Nach diesen Worten biss sie in das heiße Fleisch und kaute lange darauf herum. Als sie jedoch merkte, dass ich sie immer noch aufmerksam ansah, ließ sie sich zu einer Erklärung herab: »Wenn es dir also gar keine Ruhe lässt: In dieser Hülle ist es nicht sonderlich komfortabel. Kein Vergleich mit meinem eigenen Körper. Insofern: Vielen Dank auch, dass du mich zu diesem Umzug gezwungen hast.«
»Nun mach mal halblang. Zuerst hast schließlich du uns angegriffen. Da mussten wir uns ja wohl verteidigen.«
»Beenden wir dieses Gespräch, es führt eh zu nichts«, knurrte sie. »Schon gar nicht gibt es mir meinen alten Körper zurück.«
Ha! Wenn die schöne Dame nun im Körper des Dorftrottels festsaß, hatte sie damit meiner Ansicht nach nur ihre verdiente Strafe erhalten.
»Shen hat mir erzählt, dass du auf seine Hilfe gehofft hast«, sagte ich.
»Stimmt«, bestätigte Typhus. »Er hätte mir helfen können, in einen angemesseneren Körper zu wechseln. Falls Talki den nötigen Zauber herausgefunden hätte, versteht sich.«
»Und deine neue Behausung wäre …«
»… der Körper deiner Frau gewesen«, bestätigte
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