Donner: Die Chroniken von Hara 3
seinem Hund, Shen und Rona hingen vier Yard über der Erde. Weiße, grell leuchtende Lichtstricke wanden sich um sie.
»Könntet ihr euch vielleicht wieder beruhigen?«, erkundigte ich mich mit finsterer Miene bei Typhus. Sie sah wütend aus, ihre Unterlippe blutete.
Die Erklärung für dieses Tohubawohu war einfach: Am Morgen war Rona so weit zu sich gekommen, dass sie die Verdammte erkannte, aber nicht so weit, dass sie sich auch zusammenriss, im Gegenteil, sie ließ sich nicht davon abhalten, mit bloßen Fäusten auf Typhus einzuprügeln. Das Mädchen musste wirklich ernste Probleme im Oberstübchen haben, wenn sie gegen eine Verdammte eine solche Attacke ritt. Und auch Shen gab mir inzwischen Anlass zur Sorge – schließlich war er ihr zu Hilfe geeilt.
Zum Glück hatte Typhus einen kühlen Kopf bewahrt und die beiden nicht in Stücke gerissen und im weiten Umkreis der Bluttäler verteilt, sondern sie lediglich gefesselt. Damit hatte sie der Eitelkeit dieser beiden Schreitenden allerdings einen üblen Stich zugefügt. Shen fluchte, was das Zeug hielt, während Rona in Tränen ausbrach.
Natürlich blieb es an mir hängen, die Gemüter zu beruhigen. Ich bat Typhus, sich zurückzuziehen, Shen riet ich, endlich den Mund zu halten. Um Rona zu trösten, brauchte ich jedoch fast eine Stunde. Die ganze Zeit über hielt sie meine Hand, wimmerte leise und schielte voller Angst zu der wütenden Typhus hinüber.
Als wir weiterzogen, setzte sich Rona neben mich auf den Kutschbock. Ich legte ihr eine warme Wolldecke um die Schultern und wollte mit ihr reden. Doch selbst ein so wortkarges Gespräch wie jenes, das wir vor ein paar Tagen im Wagen geführt hatten, scheiterte. Als ich einsah, wie vergeblich mein Bemühen war, gab ich es auf.
Irgendwann kletterte Rona wieder nach hinten in den Wagen und überließ ihren Platz Shen. Der sah mich so grimmig an, als trage ich die Schuld an dem ganzen Vorfall. Typhus ritt uns voraus und behelligte uns nicht, wofür ich ihr höchst dankbar war.
Die Grabhügel verschwanden wieder, vor uns erstreckten sich abermals bloß karge Felder. Das spärliche Gras stand längst nicht mehr so hoch, der Wind nahm immer stärker zu. In der Luft hing ein bitterer, feuchter Geruch, der von der Kälte kündete, die uns auf den Fersen war. Ghbabakh lief neben dem Wagen her, während Yumi, solange es noch nicht regnete, auf dem Dach schlief.
Nach zwei Stunden scheuchten wir eine Saiga-Herde auf, aber da wir noch genug Fleisch hatten, machte niemand Jagd auf die grau-gelben Tiere. Wir ließen sie mit langen Sprüngen Richtung Süden davonstreben. Als ich mich auf dem Kutschbock aufrichtete und ihnen nachsah, hakte sich mein Blick verärgert an dem tief hängenden grauen Himmel fest.
»Sag mal, Verdammte, kannst du nicht für gutes Wetter sorgen?«, fragte ich Typhus, sobald sie sich uns mal wieder näherte.
»Noch im Krieg der Kraft wäre dergleichen möglich gewesen, aber inzwischen sind diese Zeiten längst vorbei. Selbst ich kann heute weder Meere austrocknen noch Berge zerstören«, antwortete sie amüsiert. »Nicht einmal, wenn du es dir noch so sehr wünschst.«
Schon bald setzte der Regen ein. Ich hüllte mich wie üblich in meinen Umhang, Yumi flüchtete sich sofort ins Wageninnere. Um Typhus herum flirrte kurz die Luft, anschließend wölbte sich über ihrem Kopf eine weiße Kuppel, die sie gegen die Tropfen abschirmte. Sie liefen zum Rand dieser Haube herunter und fielen von da zu Boden. Über uns spannte sie keinen solchen Schutz – und selbstverständlich ließen wir uns nicht dazu herab, sie darum zu bitten.
»Übrigens habe ich mich geirrt«, sagte Shen plötzlich und riss mich damit aus den traurigen Gedanken an Lahens Tod. »Ich meine, als du nach den Untoten gefragt hast, die nach Lepras Tod hätten auftauchen müssen. Bei der Verdammten ist alles klar, ihr Funken wurde durch den Funkentöter gelöscht. Aber die Nekromanten … Sie waren stark, gehörten den höchsten Kreisen an. Niemand in Sdiss würde es wagen, sie umzubringen, denn nach ihrem Tod stößt das Reich der Tiefe seinen Atem aus. Dadurch wird unweigerlich ein Teil der dunklen Gabe in der Welt verteilt. Der hätte dann dafür gesorgt, dass sich die Toten aus den Gräbern erheben. Aber all das ist nicht geschehen.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte ich, da mir Typhus’ zufriedenes Grinsen auffiel.
»Darauf, dass sie an allem schuld ist«, sagte Shen und zeigte mit dem Finger auf die Verdammte. »Ich würde
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