Donner: Die Chroniken von Hara 3
unzufrieden. Sie machte keine Anstalten, einen Schild zu wirken und sich gegen den Regen zu schützen. Ihr fast schon geizig zu nennender Umgang mit der Kraft nahm sich bisweilen absurd aus. Andererseits wusste Mithipha genau, dass Alenari im Kampf niemals knauserte. Wenn sie sich in einem Gefecht befand, leuchtete ihr Funken so hell und blendend, dass man ihn nicht einmal anzusehen vermochte.
»Du hast dir Zeit gelassen, ehe du auf meine Rufe geantwortet hast. Es ist lange her, seit ich etwas von dir gehört habe«, bemerkte Mithipha ruhig. Vermutlich hätte Thia an ihrer Stelle die andere wütend angebrüllt.
»Ich war beschäftigt«, entgegnete Alenari und zog die Kapuze zurück, sodass Mithipha ungehindert die Maske aus Grohaner Silber betrachten konnte. Obwohl sie prachtvoll anzusehen war, hielt sie nach Mithiphas Ansicht nicht im Geringsten mit der einstigen Schönheit der Nichte des Imperators mit.
»Und das ist wichtiger gewesen als jener Plan, den wir verfolgen?«, fragte Mithipha.
»Ich habe mich verausgabt. Mein Funken hat in der letzten Zeit kaum noch geglüht.«
»Was soll das heißen?«, hakte Mithipha nach. »Hat es Schwierigkeiten gegeben?«
»
Schwierigkeiten
würden ja wohl bedeuten, dass du in der letzten Woche mit Talki gesprochen hättest und sie sich bei dir über mich beklagt hätte. Hast du das? Eben! Die alte Spinne ist seit einer Woche nicht mehr imstande, auch nur ein Wort herauszubringen! Unser Plan ist also aufgegangen«, sagte sie, und unter der Maske drang ein leises, sardonisches Lachen hervor.
Mithipha schloss kurz die Augen, um ihre Erleichterung zu verbergen.
Es war vollbracht! Beim Reich der Tiefe, es war vollbracht! Ihr Plan war aufgegangen!
»Wer hat sie getötet?«
»Hast du dich etwa noch nicht mit Rowan in Verbindung gesetzt?«, fragte Alenari erstaunt.
»Nein«, antwortete Mithipha leichthin. »Du weißt, dass ich ihn nicht gerade ins Herz geschlossen habe.«
»Das hat niemand!«, schnaubte Alenari. »Man hätte diese kleine Schlange schon damals zerquetschen müssen, als sie im Regenbogental erschienen ist! Dieser Nichtsnutz hätte die ganze Angelegenheit beinahe zum Scheitern gebracht.«
»Weihst du mich in die Geschichte ein?«
»Warum nicht? Vor allem, da sie hinlänglich interessant ist.«
Mithipha unterdrückte ein Lächeln. Typisch Alenari … Hinlänglich interessant – dieses Urteil konnte sie genauso gut über den Besuch einer Waffenschmiede wie über die Lektüre eines Liebesromans oder den Mord an Talki fällen.
»Nachdem die alte Vettel deine Mär über die Aufzeichnungen des Skulptors geschluckt hatte, habe ich ihr gegenüber angedeutet, ich sei darüber im Bilde, dass sie mit unseren Feinden gemeinsame Sache macht.«
Mithipha nickte. Die Aufzeichnungen des Skulptors gab es tatsächlich, und Talki, diese gierige alte Spinne, begehrte sie ebenso heißen Herzens wie einen neuen Körper. Als Schülerin der Alten kannte Mithipha etliche der Geheimnisse ihrer Lehrerin und wusste daher wie niemand sonst, welchen Köder sie auswerfen musste. Sobald Talki also von diesen Schriften gehört hatte, antwortete sie auf jeden Ruf Mithiphas, erhoffte sie sich doch weitere Einzelheiten. Deshalb war Mithipha stets im Bilde, wo sich die alte Spinne aufhielt.
»Diese meine Andeutungen haben ausgereicht, sie aus ihrem Bau zu locken und dazu zu bringen, mir nur mit wenigen Leibwachen gegenüberzutreten. Genau wie du vermutet hattest, hat sie sich prompt auf mich gestürzt«, fuhr Alenari fort.
»Sie hat mir gesagt, sie wolle versuchen, dich auf dem Weg zum Regenbogental abzupassen. Sie tat so, als mache sie sich Sorgen, wenn du ohne sie in der Schule der Schreitenden eintriffst.«
»Sie lügt, wenn sie nur den Mund aufmacht. Hast du gewusst, dass sie die Aufzeichnungen des Skulptors als Vorwand nutzen würde, um Rowan nach Alsgara zu entsenden?«
»Ich habe es angenommen«, gab Mithipha zu. »Sie war von Anfang an darauf erpicht, uns zu trennen. Aber da hat sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn letzten Endes kam uns das sogar zugute. Vor allem, da Rowan eben doch zur rechten Zeit am rechten Ort war.«
»Ich verstehe bis heute nicht, wie es dir gelingen konnte, ihn zu diesem Schritt zu bewegen«, bemerkte Alenari.
»Er bringt Talki genauso wenig Zuneigung entgegen wie du.«
»Nur habe ich meine Gründe dafür.«
O ja, das ließ sich nicht abstreiten. Sie alle waren überzeugt davon, dass Talki Alenari ihr einstiges Gesicht durchaus hätte zurückgeben
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