Donner: Die Chroniken von Hara 3
können. Aus Gründen, die aber nur die alte Spinne selbst kannte, hatte sie das unterlassen. Deshalb dürstete Alenari schon seit Jahrhunderten nach Rache. Als sich ihr nun diese Gelegenheit geboten hatte, da hatte sie sie, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, genutzt. Indem sie sich auf Mithiphas Ränke eingelassen hatte, konnte sie endlich ihren Wunsch befriedigen, es Talki heimzuzahlen.
»Und Rowan braucht gar keine Gründe«, sagte Mithipha. »Wenn er die Möglichkeit hat, jemanden zu töten, zögert er nie.«
»Talki hat ein ums andere Mal versucht, sich mit mir in Verbindung zu setzen«, fuhr Alenari fort. »Ich habe jedoch bis zum letzten Moment nicht auf ihren Ruf geantwortet, sodass sie nicht wusste, wo ich mich aufhielt. Alles Weitere war das reinste Kinderspiel. Als wir endlich miteinander in Verbindung getreten sind, haben wir beide vorgegeben, nicht zu wissen, dass die jeweils andere sich bereits seit geraumer Zeit in der Steppe herumtrieb. Sie hat mir dann in den leuchtendsten Farben ausgemalt, warum wir uns unverzüglich treffen sollten. Daraufhin habe ich eingewilligt, sie aufzusuchen.«
Bei diesen Worten musste Mithipha lächeln: Wenn Talki eine Kunst beherrschte, dann die, einen saftigen Köder auszuwerfen.
»Sie hat mich in irgendeinem Nest erwartet. Rowan hat die Geschichte dann zum Abschluss gebracht.«
»Soll das heißen, du selbst bist gar nicht dabei gewesen?«, fragte Mithipha erstaunt, denn sie vermochte sich keinen Reim darauf zu machen, warum Alenari es diesem Skorpion überlassen hatte, die alte Spinne zu erledigen.
»Am Ende nicht mehr. Aber ich habe ihm Thias Auserwählte dagelassen, nachdem ich mich mit dem Hasensprung zurückgezogen hatte.«
Abermals nickte Mithipha bloß. Das hätte sie sich eigentlich auch denken können. Jede und jeder von ihnen verfügte über besondere Fähigkeiten. Talki war eine Heilerin gewesen, womit im Grunde alles über sie gesagt war. Rowan war der Einzige aus ihrem Kreis, der gern den Weg der Gespenster wählte, welcher über die dunkle Kehrseite der Welt führte. Ley vermochte durch Mauern hindurchzugehen. Alenari wusste sich des Hasensprungs zu bedienen. Dabei verließ sie den Körper, um sich an eine Stelle zu begeben, die viele League entfernt lag.
»Ist es schnell gegangen?«
»Schneller, als wir angenommen hatten.«
Mit einem Mal geriet das Silberfenster in Bewegung, trübte und kräuselte sich, bis es wieder still und klar ruhte.
»Das sind die Folgen des Hasensprungs«, erklärte Alenari. »Wir sollten dieses Gespräch wohl besser beenden. Rowan kann dir den Rest erzählen.«
»Warte! Weiß Ley etwas von unserer Geschichte?«
»Ja. Er hat vor zwei Tagen davon erfahren.«
»Wie hat er Talkis Tod aufgenommen?«
»Frag ihn selbst danach. Meiner Ansicht nach ist er zwar nicht allzu glücklich, versteht aber, dass es keinen anderen Ausweg gab. Ich setze mich wieder mit dir in Verbindung, sobald ich im Regenbogental bin. Und nun leb wohl.«
Mithipha betrachtete mit gerunzelter Stirn ihr eigenes Bild auf der Wasseroberfläche.
Talki war also ins Reich der Tiefe eingegangen. Und ob das nun zum Guten oder zum Schlechten sein mochte – es ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Von diesem Ort gab es keine Umkehr.
In nur zwei Monaten hatte Mithipha diesen grandiosen Plan ausgeheckt. Bis zum letzten Augenblick wollte sie nicht glauben, dass er von Erfolg gekrönt sein könnte. Nun aber, da ihnen die alte Spinne nicht mehr in die Quere kam, würden sie das Imperium endlich in die Knie zwingen und den Turm in Staub und Asche legen. Ohne Talki, die sich wie niemand sonst gegen diesen Schritt gesträubt hatte, würde all das wesentlich leichter zu erreichen sein. Daran hegte Mithipha nicht die geringsten Zweifel.
Jetzt musste sie mit Ley und Rowan sprechen. Den einen galt es zu beruhigen, von dem anderen wollte sie die letzten Einzelheiten des Mordes in Erfahrung bringen.
Sie schlüpfte wieder in jene Rolle, die ihr so zuwider war. Schließlich kannte Ley die wahre Mithipha Danami nicht. Und das sollte vorerst ruhig so bleiben.
Er antwortete unverzüglich auf ihren Ruf.
Jener Mann, der im Turm einst nie anders als Träger des Lichts geheißen worden war, hielt die eisblauen Augen fest auf sie gerichtet. Sein dunkles, von Falten durchfurchtes Gesicht war von der Sonne noch stärker gebräunt und vom Wind gegerbt worden. Auf seiner Miene lag ein mürrischer, verschlossener Ausdruck. Kaum sah er Mithipha, schnaubte er in
Weitere Kostenlose Bücher