Donner: Die Chroniken von Hara 3
seinen buschigen Schnurrbart, der bereits stark ergraut war.
»Das war unglaublich dumm!«, stieß er aus.
»Verzeih mir, ich wollte dich nicht stören«, stammelte Mithipha. »Aber Alenari hat mir gesagt …«
»Ich bin über eure törichte Intrige im Bilde! Wundere dich also nicht, dass ich wütend bin.«
»Das verstehe ich doch, Ley. Wie sollte es anders sein?«, beteuerte sie rasch. »Aber glaub mir, Alenari und ich haben uns die Sache nicht leicht gemacht. Und wir waren auch nicht allein. Rowan war der Dritte im Bunde.«
»Aber mit mir habt ihr euch nicht abgestimmt!«, brüllte Ley.
»Leider nicht. Das ist meine Schuld. Weißt du, ich hatte geglaubt, du seist zu beschäftigt mit dem Krieg und …«
»Ganz genau, das ist allein deine Schuld! Nur weil Talki uns loswerden wollte, muss man sie doch nicht gleich umbringen. Vielleicht hätte sie uns ja erst in hundert Jahren ins Reich der Tiefe geschickt! So aber fehlt uns heute dieser Trumpf im Ärmel!«
»Du musst doch einsehen, dass dieser Schritt unvermeidlich war«, redete Mithipha in sanftem Ton weiter auf ihn ein. »Für unsere gemeinsame Sache. Talki wollte sich an die Mutter verkaufen, wollte ihr all unsere Geheimnisse offenbaren, sofern diese im Gegenzug zustimmte, eine graue Schule zu gründen. Gemeinsam hätten uns die beiden zu Staub verwandelt, ohne dass es sie auch nur die geringste Mühe gekostet hätte.«
»Das ist mir durchaus klar«, brummte Ley schon ruhiger. »Es musste wohl wirklich sein. Außerdem hattet ihr großes Glück, denn Talki hätte euch auch über kleiner Flamme rösten können! Weiht mich aber beim nächsten Mal in Entscheidungen dieser Art ein! Ich will nicht erst Wochen später erfahren, was ihr getan habt!«
»Da hast du selbstverständlich recht. Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich«, log Mithipha, ohne mit der Wimper zu zucken.
Er murmelte noch etwas von närrischen Weibern, zog den schweren Umhang aus Bärenfell zurecht und bedachte sie erneut mit einem durchdringenden Blick aus seinen eisblauen Augen.
»Aber du verstehst hoffentlich, dass wir mit ihrem Tod einen Teil unseres Vorteils eingebüßt haben?!«, bohrte er weiter.
»Dennoch werden wir am Ende aber siegen, oder?«, fragte sie einfältig und klimperte mit den Augen. »Und dann ist es besser, wenn sie nicht mehr dabei ist …«
»Schon möglich«, knurrte Ley. »Wer weiß, wohin sie uns noch gebracht hätte.«
»Ins Reich der Tiefe«, behauptete Mithipha im Brustton der Überzeugung. »Bedenke doch nur, wie wir ihretwegen heute dastehen. Rowan kämpft vor Alsgara, Alenari ist im Regenbogental, und ich bin in den Blinden Bergen. Von Thia wissen wir nicht einmal, wo sie sich gerade aufhält und was sie treibt. Obendrein können wir nur mutmaßen, wie unser Unternehmen ausgegangen wäre, wenn Talki tatsächlich ein Bündnis mit dem Turm eingegangen wäre und sich gegen uns gestellt hätte. Doch wenn wir jetzt zusammenhalten, uns wieder zusammenschließen, dann werden wir es schaffen. Das … glaube ich zumindest.«
»Alles, was ihr beide, du und Alenari, mir über Talki erzählt habt, sind reine Spekulationen. Ihr habt nicht einen Beweis vorgebracht, dass sie wirklich schuldig ist! Nicht einen einzigen! Wenn ich dich nicht besser kennen würde, könnte ich glatt annehmen, du habest dir all das nur ausgedacht, um eine persönliche Rechnung mit Talki zu begleichen!«
»Weshalb hätte ich Hass gegen meine Lehrerin hegen sollen?«, fragte Mithipha. »Nein, glaube mir, uns hätte ein schlimmes Schicksal gedroht, wenn wir ihr nicht das Handwerk gelegt hätten. Und Alenari wäre die Erste gewesen, die es getroffen hätte, denn Talki hatte sie bereits zu sich kommen lassen.«
»Beweise!«
»Oh, verzeih mir, das habe ich ganz vergessen«, sagte Mithipha, stand auf und ging zum Tisch, um den Deckel einer Lackschatulle zu heben und dem Behältnis einige Briefe zu entnehmen, die von einem Seidenband zusammengehalten wurden. Mit ihnen kehrte sie zum Bett zurück. »Hier hast du deine Beweise«, sagte sie und hielt die Briefe über das Silberfenster. »Du musst wissen, dass Hamsy eigentlich in meinen, nicht in ihren Diensten stand. Er hat etliche Dinge erfahren, von denen er, wäre es nach Talki gegangen, nie hätte erfahren dürfen. Das sind seine Berichte aus den letzten zwei Jahren. Dort findet sich auch manches zu den Gesprächen zwischen Talki und dem Turm.«
»Und das soll ich glauben?!«, fragte Ley empört. »Dieser Auserwählte lügt doch das
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