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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curd Siodmak
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denn er fuhr fort: »Warum nicht? Lassen Sie uns diese Idee a priori benützen, wir können nicht auf das langsame Zusammentragen experimenteller Beweise warten! Das Hirn produziert Mikro-Kurzwellen. Die umgebende Luft ist ständig elektrisch geladen – mit 9000 Frequenzen. Unsere Hirnwellen senden Schwingungen aus, die das elektrische Feld der Atmosphäre stören, die ihrerseits die Wellen zum Empfänger trägt. Das denkende Hirn ist ein Sender, das andere Hirn ein Empfänger.«
    »Welches andere Hirn?« fragte ich.
    »Das Ihre«, sagte er.
    Er starrte mich an, schnaubte und nickte, runzelte die Brauen und nickte wieder, als hätte er seine Theorie schon bewiesen.
    »Sie haben mir eben eine theoretische Analyse des Phänomens der Telepathie geliefert«, sagte ich trocken, »und sie ist primitiv.«
    »In der Vereinfachung liegt Klarheit«, erwiderte er ernst, ohne Überheblichkeit.
    Überheblichkeit setzt der Weisheit eine Grenze – und Schratt ist das Gegenteil bis zum Punkt der Selbstverneinung.
    Ich dachte über die Erklärung nach.
    Hirn Nummer Eins der Sender, Hirn Nummer Zwei der Empfänger, die umgebende Luft das elektrische Feld.
    Alles das ließe sich beweisen. Der Enzephalograph bewies die Tatsache, daß das Hirn Mikro-Spannungen aussandte. Das elektrische Feld der Umgebung kann gemessen werden. Doch wie stand es mit dem Empfänger, dem zweiten Hirn? Wie konnten wir wissen, daß es die ausgesandten Spannungen in Gedanken zurückverwandeln konnte, die in einem anderen Hirn entsprungen waren?
    Immerhin, es gab öffentliche Zeugnisse genug – und meine eigene Erfahrung bestätigte sie –, daß Telepathie kein Unsinn ist.
    Ein Gedanke, der im Hirn Nummer Eins entsteht, kann von der Person Nummer Zwei empfangen werden. Es ist glaubwürdig, daß unser Hirn wie eine Radiostation arbeitet.
    »Angenommen, daß Ihre Theorie von der Auswirkung der Telepathie wahr ist – wie können wir sie auf unser Problem anwenden?« fragte ich.
    »Versuchen Sie es«, sagte Schratt. »Versuchen Sie, Ihre eigenen Gedanken auszuschalten. Dann könnten sich vielleicht Donovans Gedanken auf Sie übertragen.«
    »Ich könnte mir allerhand einbilden. Ich brauche einen hieb- und stichfesten Beweis«, sagte ich ungeduldig.
    »Es gibt eine Menge berühmter Medien«, schlug er vor.
    »Wir könnten an einen Schwindler geraten«, erwiderte ich. Ich hatte von Schratt etwas Besseres erwartet als diesen ungesunden Vorschlag. »Wir sind in einem Laboratorium, nicht bei einer spiritistischen Séance.«
    Schratt ging hin und her, murmelte etwas zu sich selbst, schüttelte den Kopf. Er versuchte, die Wahrheit zu finden – und statt ihm zu helfen, hatte ich seine tastenden Vorschläge verworfen!
    »Geben Sie mir Zeit!« sagte er. »Wir werden das Richtige finden!«
    Er ging zur Tür und verließ mich, ohne Adieu zu sagen.
    Der Morgen war angebrochen. Die Dämmerung erhellte den Himmel. Ich fühlte mich müde. Meine Gedanken waren nicht zusammenhängend. Dieser Schwächezustand, sagte ich mir, könnte meine Empfänglichkeit steigern. Schratts Theorie konnte sich auswirken!
    Ich schob einen Stuhl dicht an das Hirn. Es war wach. Die Lampe brannte.
    Ich starrte auf die graue Masse von Nervengewebe, deren Energien Gedanken in elektrische Ströme verwandelten. Ich versuchte, die Bahn frei zu machen für die Botschaft, die Donovan vielleicht für mich bereit hatte.
     

Sechster Oktober
     
    Nachdem ich tagelang erfolglos experimentiert hatte, habe ich die Telepathie aufgegeben. Donovans Hirn ist nicht dafür geeignet. Das zentrale Nervensystem besteht aus Zerebrum, Zerebellum und Rückenmark. Doch bei Donovans Hirn fehlt die Mitarbeit des Rückenmarks, und ohne sie kann es nicht genug Kraft produzieren, um mein Nervensystem zu beeinflussen.
    Ich bin an der gefürchteten Grenzlinie angelangt, wo das Experiment seinen toten Punkt erreicht. Eine neue Annäherung an das Problem ist notwendig geworden – aber ich habe keine neuen Ideen. Wohin ich sehe, stehe ich vor einer nackten Wand.
    Schratt hat das Problem nicht nochmals mit mir diskutiert. Nachdem er keine weiteren Vorschläge zu bieten hat, scheut er mich. Auch ich habe ihm nichts zu sagen, und so weichen wir einander aus.
    Seine Unfähigkeit hat ihm wohl starke Gewissensbisse verursacht – und ich bin ärgerlich auf ihn wegen seiner negativen Haltung meiner Arbeit gegenüber.
    Janice ist gestern ohnmächtig geworden. Schratt kümmert sich um sie. Ich bin überzeugt, die Wüstenluft hat sie

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