Donovans Gehirn
tun.
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagte ich.
Der erschreckte Blick wich nicht aus seinen Augen, doch er kroch aus dem Bett und zog einen schmutzigen alten Bademantel über. Er schien ernsthaft nachzudenken, denn seine Stirn war gefurcht. Endlich setzte er sich hin und sagte mit verzweifelter Entschlossenheit: »Ich interessiere mich nicht für Ihre Experimente, Patrick.«
Er hatte sich dafür entschieden, sich an meiner Arbeit nicht zu beteiligen. Er war jetzt, da er in meinem Hause wohnte, mehr von mir losgelöst, als er es früher war, wenn er aus dem Laboratorium stürmte, entschlossen, mich nie wiederzusehen.
»Sie müssen mir helfen, Schratt. Ich komme ohne Sie nicht weiter.«
Das war die schmeichelhafteste Bitte, die ich mir ausdenken konnte.
Er war sichtlich bewegt, doch er zog den Bademantel fester um seinen fetten Körper und schüttelte, immer noch trotzig, den Kopf.
Für ihn wie für mich war die ganze Welt ein Laboratorium. Ich handelte, er aber schreckte vor neuem Wissen zurück. Er hatte sich in mönchische Abgeschiedenheit zurückgezogen, hatte als Wissenschaftler entsagt.
»Sie wissen, ich verabscheue Ihre Forschungen, Patrick. Sie können der Menschheit nicht helfen! Sie können nichts anderes als das Unheil fördern. Sie würden die Welt zur Barbarei zurückführen!«
»Ich bin Spezialist, und Sie auch«, erwiderte ich – ich wollte ihm helfen, sich selbst aus diesen Begriffen herauszuargumentieren. »Die Zivilisation kann ohne Spezialistentum nicht existieren.«
»Ich interessiere mich nicht für die Zivilisation. Wir wissen so wenig von unseren Seelen, daß wir zu Mechanik, Physik und Chemie unsere Zuflucht nehmen. Wir verlieren unsere Bewußtheit der Menschenwürde, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Sie machen aus dem menschlichen Wesen einen hochspezialisierten Steinzeitmenschen, vom Egoismus regiert. Sie schaffen ein mechanisiertes, synthetisches Leben und töten den Geist, der den Menschen über das Tier hinaushebt. Sie glauben nur an Ihre Versuchsretorten! Sie töten den Glauben! Ich bin froh, daß nur wenige Menschen wie Sie existieren! Ihre Forschungen haben Sie immer mehr rationell gemacht – bis Sie sich weigern werden, eine einzige Tatsache anzuerkennen, die sich nicht im Laboratorium beweisen läßt. Ich habe Angst, Patrick, Sie schaffen eine mechanische Seele, die die Welt zerstören wird.«
Ich hörte geduldig zu. Schratt hatte offenbar über das alles gründlich nachgedacht, und es nun auszusprechen tat ihm offenbar wohl.
»Große Mathematiker und Physiologen kommen unvermeidlich einmal zu dem Punkt«, sagte ich ruhig, »an dem ihr Verstand Dingen begegnet, die außerhalb des menschlichen Begreifens liegen – an etwas Göttliches. Sie können dem nur ins Gesicht sehen, indem sie an Gott glauben. Die meisten Wissenschaftler werden religiös, wenn sie dieses Stadium der Forschung erreichen.«
Schratt blickte mich erstaunt an. Das hätten seine eigenen Worte sein können. Als er sah, daß ich ohne Ironie gesprochen hatte, nickte er, doch immer noch zweifelnd – er mißtraute mir als einem Konvertiten, der sich seiner Philosophie zugewandt hatte.
»Wie dem auch sei«, begann ich sofort wieder – ich fühlte seinen Verdacht, daß ich ihn betröge –, »um zu diesem Stadium der Unterwerfung unter das große heilige Unbekannte zu gelangen, muß der Mensch erst die ganze Sphäre durchwandeln, die zu erforschen er fähig ist. Irgendwo, wo unsere Intelligenz ihre Ganzheit hat, endet die Straße unserer Forschungen. Wir umgaukeln das Unbegreifliche, um beim Konkreten anzugelangen. Wir gebrauchen ein Symbol für das Unendliche, teilen es durch konkrete Begriffe, fügen ein Plus, ein Minus hinzu, als könnten wir die Gewalt des Grenzenlosen sichtbar machen. Wir benützen das Unendliche, als sei es greifbar. Aber niemand versteht seine Natur. Wir durchdringen Regionen, die jenseits unseres Verstandes liegen, und kehren mit Lösungen unserer Probleme zurück. Wem tun wir weh? Niemandem, nicht einmal uns selbst! Ich kann meine Forschungen nicht aufgeben, weil mich die Furcht davon abhält weiterzugehen. Am Ende der Straße, die ich wandere, steht Gott, der nicht in Formeln, sondern in einsilbigen Worten spricht. Ich möchte dicht genug bei ihm stehen, um sein Ja oder Nein zu hören!«
Schratt sah mit abwesenden Augen durch mich hindurch.
»Die Erlösung wird durch Taten verdient, nicht durch Verneinung«, schloß ich.
Ich schritt zur Tür und wartete.
Ich hörte
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