Donovans Gehirn
nickte.
»Warum haben Sie nicht geantwortet?«
Ich schob ihm das Papier hin, das nach dem Diktat des Hirns mit kindischem Gekritzel bedeckt war. Er sah es groß an, und seine Augen schweiften ängstlich zu dem Glasgefäß hinüber.
»Ich habe den Kontakt mit ihm hergestellt«, erklärte ich. »Oder vielmehr: Er hat den Kontakt mit mir hergestellt.«
Ich beschrieb alles, was ich erlebt hatte, froh, daß ich endlich mit jemandem darüber sprechen konnte. Er würde mich verstehen, dachte ich. Aber Schratt war mehr als beunruhigt. Sein gedunsenes Gesicht wurde ganz fahl, und er schüttelte verzweifelt den Kopf.
Ich machte einen letzten Versuch, um ihn zu überzeugen.
»Warum können Sie sich nicht von Ihren Hemmungen freimachen?« fragte ich. »In der wissenschaftlichen Forschung dürfen menschliche Gefühle keine Rolle spielen. Sie verdunkeln unsere Beobachtungen. Wir dürfen uns nicht erlauben, Angst zu haben. Vernunft, Beobachtung und Mut gehören zum Wissenschaftler – Ihnen scheinen aber mindestens zwei dieser Grunderfordernisse zu fehlen.«
»Seien Sie nicht so witzig«, erwiderte Schratt gequält. »Wir haben zu lange über Recht und Unrecht dieses Experiments debattiert. Ich bitte Sie jetzt, aufzuhören – es zu beenden, solange es noch in Ihrer Macht steht. Bitte, Patrick – stellen Sie die Pumpe ab und lassen Sie das Hirn sterben!«
Plötzlich liefen ihm die Tränen über die Wangen; sein großer Körper bebte in unbeherrschter Erregung. Es war ein abscheulicher Anblick. Er wurde jeden Tag hilfloser und seniler.
Ich trat hinüber zum Arbeitstisch und machte mich an einigen Instrumenten zu schaffen; ich wandte mich nicht um, als er das Laboratorium verließ.
Elfter November
Erschöpft war ich eingeschlafen – das Doppelleben, das ich führte, sog an meiner Kraft und meiner Nervenenergie.
Ein jammernder, erstickter Ruf klang in meinen Traum hinein und weckte mich. Er kam aus dem Wohnzimmer. Der Schrei schwoll zu einem irren Aufbrüllen an – als wenn jemand vor Schrecken wahnsinnig würde.
Ich hatte die Stimme nie zuvor gehört.
Ich sprang zur Tür. Die Glühbirne flackerte, als wäre auch das Hirn von seltsamer Erregung geschüttelt. Als ich an dem Glasgefäß vorbeilief, schaltete ich den Enzephalographen an, damit ich die Reaktion des Hirns später studieren konnte.
Der irre Aufschrei erstickte rasch. Statt dessen hörte ich einen schweren Fall, als ob ein Körper auf den Boden rollte und die Möbel umstieße.
Ich schaltete die Wohnzimmerlampe ein und sah Schratts mächtigen Körper auf dem Teppich. Er hatte seine eigenen dicken Finger um seine Kehle gekrallt und würgte sich. Sein rasselnder Atem, sein rotes Gesicht, seine vortretenden Augen zeigten, daß er am Ersticken war.
Ich versuchte, seinen Griff an seiner eigenen Kehle zu lockern, aber ich konnte die Finger nicht aufbiegen.
Während ich mich um Schratt bemühte, riß mich unerwartet eine Hand zurück und drehte mich um – ich sah in Franklins entsetztes Gesicht. Durch den Angriff überrascht, schlug ich zu, um mich zu verteidigen, und Franklin stolperte zurück, sein Gesicht mit den Armen schützend.
Ich ging schnell wieder zu Schratt, der ohnmächtig geworden war. Seine Hände hingen lahm zu beiden Seiten herab. Ich befahl Franklin mir zu helfen, und wir legten ihn auf die Couch.
Schratts Puls raste mit fast verdoppeltem Schlag, sein Herz klopfte schwer, und ich fürchtete, er könne an einem Schlaganfall sterben. Ich öffnete hastig seinen Kragen und sein Hemd und schickte Franklin nach etwas Eis.
Als ich mit dem Eisbeutel zurückkehrte, legte ich diesen auf Schratts Herz. Bald verlangsamte sich das furchtbare Herzklopfen und der Puls wurde wieder normal. Schratt seufzte und schlug die Augen auf. Er starrte mich entsetzt an. Ich sprach ihm beruhigend zu und zwang ihn, etwas Milch zu schlucken, aber seine Zähne klapperten so, daß er die Hälfte verschüttete.
Schratt war im Begriff gewesen fortzugehen. Sein Gepäck stand neben der Tür, sein Mantel lag auf einem Stuhl. Ich war erstaunt, daß er sich bei Nacht wegschleichen wollte, und konnte mir nicht erklären, warum er überhaupt durch das Haus gekommen war, führte doch der nächste Weg aus seinem Zimmer durch den Garten.
»Was soll das?« fragte ich und deutete auf das Gepäck.
Ich stand auf – und Schratts Gesicht erstarrte. Ich begriff nicht, was ihn quälte. Dann folgte ich seinem Blick – und verstand.
Die Tür zum Kasten mit der Hauptsicherung für
Weitere Kostenlose Bücher