Donovans Gehirn
um mir die Erlaubnis zum Besuch Cyril Hinds' zu erwirken.
Da Fuller meine Beziehung zu dem Angeklagten nicht erklären konnte, wünschte der Beamte mich erst zu sehen, ehe er seine Zustimmung gab.
Fuller hat den Fall studiert. Seiner Meinung nach könnte nur eine einzige Verteidigung Erfolg haben. Er wollte den Plan nicht am Telefon besprechen. Ich sagte ihm, er könne mich in meinem Hotel aufsuchen.
Fullers Optimismus klang gezwungen. Ich habe die starke Überzeugung, ohne das Geld, das ich ihm versprach, würde er den Fall nicht anrühren. Ehe er abhängte, erinnerte er mich daran, den Honorarbetrag auf seiner Bank zu deponieren.
Ich bin überzeugt, das Hirn denkt klar! Es kann nicht irre sein, wie ich fürchtete, denn seine Instruktionen sind deutlich und scheinen logisch. Das einzige störende Element ist die Wiederholung dieser albernen Zeile, die sich meistens in mein Hirn schleicht, wenn ich schlafe. Manchmal taucht sie auch tagsüber auf, und ich bin niemals imstande, das widersinnige Gefühl schrecklicher Angst zu unterdrücken, von dem sie begleitet ist.
Die Identifizierung des Hirns mit meinem Bewußtsein hat sich verstärkt. Indem es einen weiteren Teil meines Kleinhirns durchdrungen hat, kann es vielleicht schon meine sinnlichen Wahrnehmungen auf sein eigenes Bewußtsein übertragen. Es kann vielleicht meine Empfindungen von Ton und Gesicht empfangen und die Geschmacksreaktionen meines Gaumens fühlen. Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, das Hirn lebt durch mich das volle Leben eines normalen Wesens.
Wenn meine Theorie richtig ist, sollte Donovans Hirn imstande sein, mit anderen Menschen zu reden, nachdem mein Gehör sich auf sein Nervenzentrum überträgt und meine Zunge durch seine Befehle geleitet wird – es hat also alle Werkzeuge, die es zu einem verständlichen Ausdruck seiner selbst benötigt.
Das Hirn benutzt meine Bewegungsnerven wie Instrumente, die von einem Tiefseetaucher kontrolliert werden, der in einer Taucherglocke arbeitet.
Donovan muß die Welt durch meine Augen sehen, und er muß fähig sein, auch mich zu sehen, wenn ich mich im Spiegel betrachte.
Zehnter Dezember
Auf dem Wege zum Gerichtsgebäude kaufte ich mir in einem Tabakladen ein Dutzend Upman-Zigarren.
Jahrelang habe ich keine Zigarren geraucht. Ich verabscheute den kalten, feuchten Geschmack. Ich machte diesen Einkauf auf Befehl.
Sofort steckte ich mir eine Zigarre an, aber ich hatte nicht den geringsten Genuß davon. Als ich versuchte, sie wegzuwerfen, hielt meine Hand sie jedoch fest. Ich mußte fortfahren, langsam zu paffen, als hätte ich eine große Freude daran.
Ich rauchte mit meiner linken Hand, was ungewöhnlich ist, denn ich rauchte meine Zigaretten mit der rechten.
Donovan war Linkshänder!
Wenn ich herausbekäme, welche Zigarren Donovan rauchte, so hätte ich einen Teil des Beweises, den ich brauche. Habe ich denn meinen Geschmackssinn verloren? Gestern abend hatte ich plötzlich Abscheu vor Fleisch und bestellte mir zu Tisch lauter Gemüse. Es hatte gar keinen Geschmack. War Donovan Vegetarier? Ich muß nachfragen. Sternli wird es wissen.
Ich inhalierte den Zigarrenrauch tief, und es war, als inhalierte ich geschmacklosen Wasserdampf. Empfängt Donovans Hirn diese Eindrücke meiner eigenen fünf Sinne? Oder hat dieser Zustand von Schizophrenie meine physischen Eindrücke getötet, weil das Hirn meine Geschmacks- und Geruchsempfindungen übernommen hat? Das Hirn dringt langsam vor, hat aber unwiderstehlich jeden Teil meines Kleinhirns umschlossen.
Eines Tages kann es vielleicht meine Handlungen völlig bestimmen. Die Impulse, die meine Handlungen veranlassen, werden in Washington Junction erzeugt, während mein Körper durch die Welt schweift – sozusagen ferngeleitet!
So könnte im Zukunftsstaat der Mensch von einem erwählten Superhirn befehligt und wie ein Roboter von einer Zentralstation geleitet werden ...
Das Gefängnis umfaßt sechs obere Etagen im Justizgebäude, einem rechteckigen Bau am Broadway und Temple.
Ich betrat das Zimmer mit der Aufschrift: »Besucher-Anmeldung.« Dann brachte mich ein Beamter in Hemdsärmeln neun Etagen nach oben zum Büro des Direktors.
Mein hemdsärmeliger Begleiter mußte eine gewisse Neugierde in meinen Augen gesehen haben, denn er begann zu schwatzen wie ein Fremdenführer. Er informierte mich, daß mehr als zweitausend Sträflinge hier seien – im größten Gefängnis der Welt. Achtzehnhundert Männer und zweihundert Frauen, sagte er
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