Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curd Siodmak
Vom Netzwerk:
Hinds im Gefängnis fand, des Mordes angeklagt, sah er seine große Chance. Hier war ein Leben zu erhandeln – für das, das er ausgelöscht hatte.
    Auf seinem Weg zu Geraldine Hinds stürzte das Flugzeug in Reno ob, und damit hatte sein Schicksalspielen ein Ende, wenigstens gegenwärtig.
    Während Chloe und ich sprachen, setzte ich im Geiste die einzelnen Stücke der Geschichte zusammen, stellte die Verbindungen her, fügte die fehlenden Teile hinzu und fand die Gründe zu den angedeuteten Ereignissen. Unklarheiten, die mich vorher verwirrt hatten, waren jetzt geklärt. Auf einmal kannte ich Horace Donovan besser, als wenn ich selbst sein Leben gelebt hätte – und ich erschrak.
    Er hatte alles zerstört, was sich seinem Willen entgegensetzte. Jetzt, da der Tod eine Schranke gezogen hatte, überstieg sie sein Wille. Er war stärker als der Tod!
    Ich sah alles klar – alles, was ich zu meinem Experiment brauchte. Was übrig blieb, konnte durch kalte Analyse festgestellt werden, nicht durch empirisches Forschen.
    Ich mußte dieses Hirn begraben – zehn Fuß unter der Erde! Ich mußte seine widernatürliche Existenz beenden!
    »Ich möchte, daß Cyril Hinds stirbt«, sagte Chloe verächtlich in heiserem, wütendem Flüstern. »Er darf nicht frei ausgehen! O nein, diesen Triumph darf mein Vater nicht haben!«
    Ich lächelte ihr zu, legte meine beiden Hände auf die ihren und betete im stillen um Gedankenfreiheit und eigenen Willen für gerade diesen Augenblick.
    »Es geschehen uns nur die Dinge, die wir begehren«, sagte ich. »Und da wir weiser werden, können wir einem Teil unseres Gefühlslebens entfliehen, wenn wir wollen. Schenken Sie diesem Mann nicht die Huldigung Ihres Hasses! Sie waren überempfindlich gegen jede seiner Launen. Seien Sie einmal empfindsam für sich selbst!«
    Chloe wandte sich um und blickte mich an, als sähe sie mich zum erstenmal. In ihren Augen spiegelte sich ein längst vergessener Wunsch, der in dem langen Kampfe verlorengegangen war. Sie hatte ein krankhaftes Entzücken im Leiden gefunden; ihr vergessener Wunsch war, einmal das Glück in der Freude zu finden.
    Sie stand an einem Kreuzweg, wo das richtige Wort sie auf den richtigen Weg schicken würde, das falsche aber in ein geistiges Chaos.
    Ich beugte mich vor, um ihren Blick mit all meiner Willenskraft festzuhalten, und sagte: »Versprechen Sie mir, von hier fortzugehen. Nach Rio, nach Buenos Aires. Irgendwohin, wo die Menschen eine andere Sprache sprechen und nicht von Ihrem Vater reden, sondern nur über Sie, über Sie selbst! Sie sind wichtig! Nur Sie! Niemand als Sie!«
    Meine Worte schienen den Haß und die Rachsucht auszulöschen. Der Ausdruck ihres blassen Gesichts – es war eine Maske der Verzweiflung gewesen – wurde weicher. Die Lippen verloren den harten, gekränkten Zug.
    »Lassen Sie den Schmerz Ihren Lehrmeister des Verstehens sein«, sagte ich. »Dann werden Sie das Leben nicht hassen, sondern es in der Freude des Verstehens lieben lernen!«
    Chloe lächelte, schloß die Augen. Ihr Körper entspannte sich.
    Ich hielt ihre Hand in meiner, bis sie einschlief und ihr Atem leicht wurde. Dann kehrte ich ins Hotel zurück.
    »Ein Herr wartet, der Sie sprechen möchte«, sagte der Portier und zeigte auf Yocum, der in einer Ecke der Halle stand.
    Mit einem Schmunzeln auf dem dünnen Gesicht kam Yocum auf mich zu. Er trug einen auffallenden Anzug mit dickwattierten Schultern, Lackschuhe und einen teuren grauen Filzhut mit enorm breiter Krempe.
    »Hallo, Doktor!« begrüßte er mich und streckte mir mit jovialer Geste die Hand entgegen.
    »Was wünschen Sie?« fragte ich kurz. Das Lächeln in seinem Gesicht wurde zu einem entwaffnenden breiten Grinsen.
    »Ich wollte Ihnen nur zeigen, wie gut es mir geht!«
    Seine Stimme war stärker geworden, denn er hatte sich besser ernährt, aber die tiefen Löcher in seinen Wangen zeigten das Ende seiner Tage an wie ein Stundenglas. Ich gab ihm nur noch ein paar Monate. »Sie sollten in ein Sanatorium«, sagte ich.
    Yocum zuckte die wattierten Schultern.
    »Nun ja – vielleicht tue ich es auch! Aber erst will ich mich ein bißchen amüsieren! Wissen Sie, es ist, als ob man lange gehungert hat ... Ich möchte essen, ehe ich wieder faste!«
    Er musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, abschätzend, als wäre ich ein Wagen aus zweiter Hand.
    »Sie sehen wohlhabend aus«, sagte er befriedigt.
    Der Besuch hatte einen allzu offenkundigen Zweck!
    Ich nahm ihn in eine Ecke, wir setzten

Weitere Kostenlose Bücher