Donovans Gehirn
»Was aber nicht in den Zeitungen stand, war das: Er legte den Grundstein zu seinem Unternehmen mit Geld, das er sich von Roger Hinds borgte, von dem Mann, den meine Mutter liebte!«
Sie sprach mit plötzlich überquellender Entrüstung, als sei es ihr eigener Liebster gewesen, nicht der ihrer Mutter.
»Roger bewunderte meinen Vater, und mein Vater kannte seine Macht über Roger. Eines Tages bat er ihn, um ihn zu ruinieren, um eine Summe Geldes, die Roger nicht besaß – was er genau wußte.«
»Achtzehnhundertunddreißig Dollar und achtzehn Cent«, sagte ich mit flacher Stimme. Chloe nickte ungeduldig, ohne sich über mein unheimliches Wissen zu wundern.
»Das kann sein. Roger nahm es aus der Stationskasse, als mein Vater ihm versprach, es ihm am nächsten Tage zurückzugeben. Er vertraute meinem Vater so blind, daß ihn nicht das geringste Schuldgefühl bedrückte. Und um Roger Hinds zu vernichten, hielt mein Vater das Geld absichtlich zurück!«
Ihre Stimme war so entsetzt, als habe sich das alles erst gestern zugetragen, nicht vor vierzig Jahren.
Sie hatte ihre Lebenskraft aus dem Entschluß gezogen, ihre Mutter zu rächen. Da nun ihr Vater gestorben war, hatte sie nichts mehr, wofür sie leben konnte. Sie wollte nicht an seinen Tod glauben. Sie wartete auf ein Wunder, bereit, Zuflucht in einer Welt zu suchen, die der unsern fern ist. Selbstmord verlangt Plan und Entschluß; in die Unwirklichkeit der Traumwelt zu treiben, erfüllt den gleichen Zweck, und ist leichter und angenehmer.
Ich mußte vorsichtig sein – sie durfte sich nicht zu sehr aufregen über diese Geschichte, die sie mit so viel Überzeugung erzählte.
»Sind Sie denn sicher, daß er es absichtlich tat?« fragte ich.
»Absolut!« sagte Chloe nachdrücklich. In ihrer Seele war kein Raum für den kleinsten Zweifel.
»Mein Vater wollte heiraten – und fand den Weg dazu durch Roger versperrt. Das war ein Schlag für sein Selbstbewußtsein! Was und wer immer ihm in den Weg trat, mußte vernichtet werden! Er liebte Roger, soweit er fähig war, jemanden zu lieben. Er hatte ihn wirklich gern, aber zu seiner Empörung war Roger auf etwas aus, was er selbst wollte! Und Donovan fühlte sich betrogen.«
Nach Chloes Erzählung hatte Donovan das Geld absichtlich zurückgehalten, bis eine Kassenprüfung den Fehlbetrag aufdeckte. Hinds verlor seine Stellung, und dann gab ihm Donovan das Geld zurück. Er ließ Roger eine Quittung unterschreiben, aus der hervorging, daß er, Donovan, es war, der seinen Freund vor dem Gefängnis gerettet hatte. Als Hinds sich von dem Schlag erholte, schoß er auf Donovan, dessen Wange nun auf immer durch die Narbe gezeichnet war. Dann ging er verzweifelt fort und erhängte sich. Er hatte Katherine nichts gesagt. Er schämte sich über den Verrat seines Freundes.
Nach ein paar Monaten heiratete Katherine Donovan. Sein ständiges Werben hatte ihren Widerstand gebrochen. Sie verließen sogleich die Stadt und ließen sich in Los Angeles nieder.
Nach einiger Zeit erfuhr sie die Wahrheit. Donovan erzählte sie ihr mit voller Absicht, als er merkte, daß sie Roger immer noch liebte. Von diesem Augenblick an hielt er sie nur noch durch Angst. Er zwang sie, ihm Kinder zu gebären. Katherine war ein Stück seines Besitzes – sie durfte ihn nicht verlassen. Er ertrug es nicht, etwas zu verlieren, was ihm einmal gehört hatte.
Die Frau führte ein Schattendasein, ihr Geist war gebrochen. Ihre einzige Vertraute war ihre Tochter, und sie nährte den Haß des Kindes gegen den eigenen Vater.
Mehrere Kinder Katherines – in Abscheu und Ekel gezeugt – wurden tot geboren. Nur Howard, das erste, und Chloe, das letzte, blieben am Leben. Howard wurde unter der Faust seines Vaters fast erdrückt – niemals durfte er etwas tun, was ihm sein Vater nicht befohlen hatte. Der Sohn bekam kein Taschengeld, und auch seine Frau und Chloe hatten nie bares Geld in der Hand. Geld ist Freiheit – es macht die Menschen unabhängig!
Howard bekam keinen Hausschlüssel. Er mußte an der Haustür läuten wie ein Händler, und die Dienstboten kontrollierten sein Kommen und Gehen. Sie wagten nicht, den Jungen zu decken, denn auch sie wurden durch einen Stab von Hausspitzeln beobachtet.
Donovan war allgegenwärtig. Er benützte alle Augen und Ohren für seine Informationen. Wer immer für Donovan arbeitete, mußte seine Persönlichkeit völlig aufgeben.
Als Howard fünfzehn war, fing er an, Marken zu sammeln. Um sich das Geld zum Einkauf zu
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