DoppelherzTOD
ohne zu fragen.
In Filzlatschen und Bademantel wartete er auf seinen Besuch. Hosfeld kam die wenigen Stufen zur Haustür gehetzt. Schweiß auf der Stirn. Kurzatmig. Ein Gesicht wie vorm Infarkt. Ehrlicher trat zur Seite. Sein Kollege stürzte ins Wohnzimmer, versank in einem weichen Sessel und konnte nicht sprechen. Ehrlicher füllte ihm in der Küchenzeile ein Glas aus der Wasserleitung, stellte es vor Hosfeld auf den Tisch und schwieg, wartete, bis Hosfeld redete.
»Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass man mir ans Leben will?«
»Ich würde dich nach den Gründen fragen, solang es kein Scherz ist.«
»Es ist keiner. Ich sage dir, es war Mord. Hans-Jürgen und die Margot sind ermordet worden. Jetzt haben sie es auf mich abgesehen.« Hosfeld trank das Glas in einem Zug leer.
»Wer hat es auf dich abgesehen?«
»Die Neumann-Sinsmann und der Dr. Burger. Und wer weiß, wer da noch alles mit drinsteckt.«
»Wovon redest du überhaupt? Ich verstehe kein Wort.«
»Diese beiden haben Margot und Hans-Jürgen auf dem Gewissen. Im Heim herrschen mafiöse Strukturen, wir sind ihnen bei unserer Recherche zu nahegekommen. Ich sage dir, die scheuen vor Mord nicht zurück.«
»Quatsch!« Doch als er es sagte, sah er Hosfelds Gesicht. Der scherzte nicht, der schaute voller Angst und Zweifel. Der Kollege litt wirklich. Ehrlicher nahm das Wasserglas, um es noch einmal zu füllen, und überlegte. Hosfeld war offensichtlich nicht mehr Herr seiner Sinne. Ehrlicher hatte diese Symptome an ihm schon früher bemerkt. Jetzt war er sicher: Wahnsinn oder Demenz. Auch Polizisten kann’s treffen. Hosfeld glaubte, das Opfer einer Verschwörung geworden zu sein. Kein Zweifel, der schien an einer fortschreitenden psychischen Krankheit zu leiden. Verfolgungswahn war bei diesem Beruf nicht selten. Ehrlicher kannte einen Pathologen, den seine überführten Mörder täglich heimgesucht hatten. Das war für ihn der blanke Horror. Der Mann hatte sich letztlich im Sektionssaal erhängt, um den lebenden Toten und seiner Angst zu entgehen. Hosfeld schien an einer ähnlichen Psychose zu leiden. Ehrlicher hatte es gewusst, niemals hätte er sich mit diesem Menschen einlassen dürfen.
Das kalte Leitungswasser lief ihm über die Hand, beim Gehen schwappte es auf seinen Bademantel. Ehrlicher hatte keine Ahnung, wie er diese absurde Situation hinter sich bringen sollte. Verdammt, und nicht einmal ausgeschlafen. Es würde ein scheußlicher Tag werden.
Hosfeld sprach tonlos und ohne Überzeugungskraft. »Es war uns lang schon aufgefallen. Überall haben sie geknausert, gespart und gestrichen. Käse zu Spaghetti, das war einmal, genauso wie wahlweise Marmelade. Eine Sorte, die nimmste oder nimmste eben nicht. Nachschlag nur wenn Reste blieben. Und eh man es dem Viehzeug gibt. Bitte gegen 14. Uhr nachfragen.
Hast doch selbst mitgegessen, toll war das nicht, es war billig… Kaffee, nicht mehr am Nachmittag. Wäschewechsel aller zwei Wochen statt jede. Physiotherapie nur in Notfällen. Ein gemeinsamer Ausflug hat schon Jahre nicht mehr stattgefunden. Die scheffeln sich das Geld in die eigenen Taschen. Da verwette ich meinen Kopf, und der Hans-Jürgen hätte das auch.«
Hosfeld starrte Ehrlicher an. Vor Wut und Enttäuschung lief ihm noch immer der Schweiß übers Gesicht. Ehrlicher kannte solche Reaktionen, er bewahrte die Ruhe und lächelte freundlich. In seinem Kopf war nur die Frage, wie er diesen Patienten wieder loswerden sollte. Dass Hosfeld in Behandlung gehörte, stand für ihn außer Frage. Auf der Straße dröhnte ein Auto mit zu lauter Musik. In der Ferne fuhren Straßenbahnen die Menschen zu ihren Arbeitsstellen. Der Tag hatte begonnen.
Ehrlicher versuchte sich in Allgemeinplätzen, um Zeit zu gewinnen. »Die Reformen der Regierung fordern Opfer. Die kommunalen Schulden drücken, vor allem im Sozialbereich kürzt man die Ausgaben.«
»Trotzdem muss man uns nicht wie im Stall halten. Selbst die Viecher bekommen ab und zu mal ein nettes Wort zu hören. Wir nicht!«
Deeskalationsstrategie, mehrere Seminare hatte Ehrlicher zum Thema besuchen müssen. Reden lassen, beruhigen. »Was ist denn passiert, dass du mitten in der Nacht bei mir aufkreuzt?«
»Am Schloss hat einer gefummelt. Als ich meine Türe aufgerissen habe, war er verschwunden.«
»Das kann doch ganz andere Gründe haben. Vielleicht hat einer die Türen verwechselt, Frau Emmerich, zum Beispiel, die vergisst wohl so manches. Oder jemand anderes. Vielleicht hast du
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