Doppelt gebloggt hält besser (German Edition)
ohne dass es eine Beleidigung für die Augen der Mitamtischsitzenden wäre, dann, ja dann denkt sie kurz darüber nach, ob sie nicht doch wenigstens der Grete erlauben sollte, ihre Haare zu verjüngen.
Wenn sie dann aber in diesen kurzen Momenten der Unsicherheit, ihr Äußeres betreffend, dass ihr eigentlich nicht besonders beachtenswert erscheint, zufällig auf Hermann trifft, der ihr im Normalfall ansieht, "dass es wieder soweit ist", dann sagt er, ohne dass sie noch den Mund zum Klagen geöffnet hätte: "Ach hör auf! Gefallen macht schön! Und mir gefällste! Das muss reichen!" Und das reicht der Liese, auch weil sie sich im Grunde ja selbst gefällt. So wie sie mittlerweile nun mal aussieht. Ein bisschen zerknittert, weißhaarig und nicht mehr ganz jung. "Eigentlich kein Thema", sagt sie sich dann nach überstandener Minikrise. "Eigentlich kein Thema", sagt dann auch Hermann.
"Eigentlich kein Thema" wird sie bei dem nächsten Bunthaarfotogucken auch zur Grete sagen und die wird vermutlich verstehend lachen. Hauptsache Lieschen macht keine Witze über schokoladenbraune Farbe, die gut deckt und fragt nicht, wo denn ihre Augenbrauen geblieben sind.
Euer Lieschen
Donnerstag, 8. August 2013
Das Fräulein Grete Meier freut sich wie Bolle
Nee, war das lieb gestern von dem Lieschen. Das Fräulein Grete Meier ist immer noch ganz gerührt. Nicht nur, dass sie die merkwürdig dünnen Augenbrauen von der Grete nicht erwähnt hat (natürlich hatte die Grete ihr telefonisch davon berichtet), nein, sie hat der Grete ein wunderschönes Geschenk mitgebracht.
Die kam gestern allerdings ein paar Minuten zu spät in das Lieblingscafé. Das passiert der Grete äußerst selten, hatte aber einen Grund. Gerade als sie das Haus verlassen wollte (mit Fahrrad) kam die junge Frau Hebers ihr entgegen. An einem Arm zwei Papiertüten einer bekannten Drogeriemarktkette, auf dem anderen thronte, herzzerreißend weinend, das völlig verschwitzte Baby. Die Grete ließ natürlich sofort das Fahrrad Fahrrad sein und nahm der Frau Heber die Tüten ab. Bei der Hitze einkaufen, das arme Kind, dachte sie nicht nur, sondern schimpfte auch gleich mit der Frau Heber. Nicht laut, eher mütterlich leise mahnend. Und das den ganzen Weg bis zur Wohnungstür der Hebers. Die Tüten waren aber auch schwer. "Ach Gottchen, dass sie das den ganzen Weg geschleppt haben." Die Frau Heber seufzte nur, schloss die Tür auf und bat die Grete in die Küche. Dort setzte sie zuerst das Kind in den Kinderstuhl und griff dann nach einer Tüte. Weichspüler, Waschmittel und große Dosen. "Der Armin kommt doch heute später, dann hat der Drogeriemarkt doch schon zu. Und sie wissen doch, wir haben nur ein Auto." Das weiß die Grete natürlich. Die Hebers sind stets darauf bedacht möglichst wenig die Umwelt zu belasten. Aber ein Auto brauchen sie, da Herr Hebers Arbeitsplatz mit Bus oder Bahn leider nicht erreichbar ist und er es zudem auch noch beruflich benötigt. Außendienst und so. Jetzt war die Grete doch neugierig. Was es wohl so wichtiges im Drogeriemarkt gibt, dass man nicht auch am Wochenende mit dem Auto besorgen kann, fragte sie dann auch sofort nach. "Milchpulver", antwortete die Frau Heber lakonisch. "Da muss man schnell sein, sonst kaufen die Chinesen alles weg. Und mittwochs kommt immer eine neue Lieferung, jeder darf aber nur 6 Dosen kaufen." Grete musste sich setzen. Gelesen hatte sie ja davon schon, es aber für übertrieben gehalten. Sommerlochfüllstoff eben. Von wegen Milchpulverskandal in China, und dass die Chinesinnen der dort produzierten Milchbabynahrung nicht mehr trauen und lieber "Made in Germany" haben wollen und deshalb die Herstellerfirmen nun nicht mehr nachkommen mit der Produktion. "Made in China", Grete hatte es doch schon immer gewusst, das taugt nix. Und weil Grete ja immer hilft, wo sie helfen kann, ist sie ganz schnell mit dem Rad zum Drogeriemarkt gerauscht und wollte der Frau Heber 6 weitere Dosen besorgen. Aber Pustekuchen. Eine hat sie nur gekriegt. Nicht weil im Regal nur noch eine einsame Dose ausharrte, nein, weil die Kassiererin ihr klipp und klar ins Gesicht gesagt hat, dass die Grete wohl in ihrem Alter kaum ein Baby hätte, was es zu ernähren gilt. Made in Germany. Immerhin eine Dose stand man ihr zu. Deshalb war die Grete also zu spät gestern. Aber das Lieschen sah es ihr nach, nachdem sie die Umstände erfahren hat. Und dann überreichte sie der Grete schmunzelnd ein hübsch verschnürtes Päckchen.
Lieschen
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