Doppelt gebloggt hält besser (German Edition)
Heinevetter, gut dass mal ein junger Mensch hier einzieht. Das bringt frischen Wind ins Haus. Und wenn er so nett ist, wie sie sagen, dann ist es noch besser. Ich fahre jetzt mal in den Park. Ruhe brauch ich nämlich heute trotzdem. Aber die muss ich ja nicht unbedingt in der Wohnung finden."
Gruß vonner Grete
Lieschen denkt sich in Teufels Küche und auch wieder raus
Mannomann! Was durfte das Lieschen gerade lesen? Das Fräulein Grete ist geplatzt, Herr Heinevetter ist schwul und die Hausgemeinschaft wird ab sofort durch einen Arzt bereichert, von dem die Liese noch nicht weiß, welche sexuelle Ausrichtung der hat.
Aber mal zurück zum Anfang. Warum in Herrgottsnamen hatte die Grete dem Lieschen DAS noch nicht berichtet. Der wunderbare Wutausbruch gegenüber der guten Frau Karbach, die der Grete das Leben so lange dermaßen schwer gemacht hatte, wäre doch wirklich eine sofortige Meldung wert gewesen. Aber sie hat kein Wort darüber verloren. Nicht beim Kaffee, nicht am Telefon. Lieschen wundert sich. Sie hätte doch sofort ein Fest ausgerufen und der Grete zu dieser Maßnahme gratuliert. Oder nicht? Warum bloß erfährt sie es erst jetzt, so nebenbei? In Nebensätzen? Lieschen geht in sich und fahndet nach einem vermutlichen Grund für dieses lange Verschweigen.
Hätte sie vielleicht doch nicht jubiliert, sondern sinngemäß gesagt "Schon wieder hast du zu lange gewartet. Du lässt dir viel zu lange viel zu viel gefallen, liebe Grete?" Könnte es sein, dass die Grete vor solch besserwisserischen Worten aus Lieschens Mund, vielleicht sogar zu Recht, Angst hatte und sie sie ihr und sich ersparen wollte? Lieschen wird immer nachdenklicher und bemerkt erst in letzter Sekunde, dass sie beinahe wieder am Fingernagel gekaut hätte. Das macht sie nämlich gerne mal, wenn sie so ganz und gar in ihren Gedanken gräbt. Während sie den Finger also gerade noch rechtzeitig wieder vom Mund weg führt, glaubt sie an diese Möglichkeit, findet die Grete klug und sich selbst nicht mehr ganz so.
Es könnte auch sein, denkt sie weiter, dass sie ihr den Anlass vorgehalten hätte. Vielleicht hätte sie gelacht und gesagt "Das ist ja interessant! So lange hast du den ganzen Klatsch und Tratsch ertragen und erst als sie DEINEM Herrn Heinevetter vorwarf, schwul zu sein, bist du in die Luft gegangen? Das ist ja lustig!" Kann sein, dass das Lieschen so weit gegangen wäre. Ihr wäre dann nämlich vielleicht aufgefallen, dass sie noch niemals irgendetwas über die sexuelle Orientierung des Herrn Heinevetter aus Gretes Mund gehört hätte und spätestens dann hätte sie sich gewundert, warum wohl nicht.
Vielleicht hätte sie vermutet, dass die Grete ein Problem mit Homosexuellen hat, mit Homosexualität im Allgemeinen oder nur im Speziellen? Warum nur weiß das Lieschen so gar nichts darüber? Jetzt kennen sie sich so lange und noch niemals haben sie über Schwule, Lesben, Trans- und sonstwas Sexuelle gesprochen. Während Lieschen immer sicherer wird, dass die Grete ihr das aus berechtigtem Selbstschutz nicht erzählt hat, wird sie immer kleinlauter. Da beschäftigen sie sich mit so viel Klatsch und Tratsch und wissen offensichtlich einiges nicht übereinander.
Lieschen selbst hat eine Menge Freunde, die gleichgeschlechtlich leben und lieben. Ihr war das niemals seltsam. Sie ist praktisch mit dem Wissen aufgewachsen, dass es jede Menge verschiedener Orientierungen gibt und das auch gut so ist. Sie ist froh, dass die gruseligen Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen, zumindest in Deutschland und vielen anderen Ländern abgeschafft wurden. Sie erschrickt mit schöner Regelmäßigkeit über anderslautende Berichte aus anderen Ländern. Gerade heute hat sie die Meldung über die Regenbogenfingernägel dieser Sportlerin gelesen, die auf ihre Art ein selbstverständliches Zeichen gesetzt hat und keinerlei offizielle Unterstützung erhielt. Und erschrickt jetzt über die Befürchtung, dass es für Grete sehr wohl einen Unterschied machen könnte, wer wen in welchem Körper liebt.
Lieschen beschließt, ihre diesbezüglichen Gedanken zu stoppen und Grete bei nächster Gelegenheit einfach zu fragen.
Sie selbst spricht aus dem Gefühl der Selbstverständlichkeit selten über die sexuellen Orientierungen ihrer Freunde, weil es ihr nicht wichtig ist. Nett sollen sie sein. Gut zum Lieschen passen sollen sie. Und so leben, dass sie glücklich sind. Das sollen sie auch. Vielleicht, so denkt das Lieschen jetzt, handhabt die Grete
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