Doppelt gebloggt hält besser (German Edition)
mir ein Rätsel. Ich bin selber doch erst dreißig. Aber manchmal kann ich die jungen Leute nicht mehr verstehen. Geld verdienen, das wollnse alle, aber was dafür tun? Hab ihm gestern noch Fachlektüre gegeben. Und, was glaubense Frau Meier, liegengelassen hat er die Bücher! Im Spind. Nee, ich fahr jetzt besser mal Frau Meier, sonst ärger ich mich nur noch mehr."
Etwas ratlos und perplex blieb das Fräulein Grete Meier auf dem Parkplatz zurück. Auf dem Weg ins Büro dachte sie intensiv über die Sätze von Herrn Heber nach. Kann es denn wirklich sein, dass die jungen Leute alle so sind? Grete ist sich da nicht so sicher. Vor ihrem geistigen Auge erschien der Simon. Der Azubi aus der Werbeabteilung. Null Bock auf Schule, kein Schulabschluss, keine Perspektive. Doch dann hat er sich gefangen. Und einen eisernen Willen gezeigt. Hat den Hauptschulabschluss nachgeholt und ist einmal in der Woche bei Grete im Vorzimmer erschienen. Mit Produktzeichnungen und passenden Werbeslogans. Solange bis der Chef ihn Probe arbeiten ließ. Eine komplette Woche hat der Simon jeden Tag mehr als zehn Stunden vor dem Computer gesessen und die Firmenwebsite auf neue Beine gestellt. Aber sowas von neu. Der Chef hat ihn gelassen und war vom Ergebnis total begeistert. Gab ihm sofort einen Ausbildungsvertrag. Nachgelassen in seinem Eifer hat der Simon bis heute nicht. Bei ihm hat die Grete dann auch gelernt mit Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen umzugehen. Und der Chef kann jetzt sogar einen Post auf facebook verfassen. Nee, Herr Heber, sie haben einfach nur Pech gehabt. Alle sind nicht so. Und der Kevin vielleicht auch nicht.
Gleich heute abend wird das Fräulein Grete Meier mal zu den Hebers hoch gehen und den Herrn Heber mal bitten, dem Kevin eine Chance zu geben. Das Lieschen würde das sicher auch so machen.
Oder irrt sich da die Grete? Mischt sie sich vielleicht immer mal wieder zu viel ein? Ach, denkt die Grete. Ist doch egal. Ich bin nun mal so und schließlich muss ich mich noch im Spiegel anschauen können. Und sollte mir das Lieschen den Kopf waschen, dann geh ich in mich. Ändern geht immer - ein bisschen. Zumal, das gibt die Grete ganz ehrlich zu – Lieschens Tipps der Grete gelegentlich ganz gut tun.
Gruß vonner Grete
Lieschen, der Fleiß, die Zuversicht und die Abwesenheit von Beidem
Lieschen weiß nicht, was sie heute täte, wenn sie jung und ohne Ausbildung wäre. Die Zeiten sind anders als damals. Die Menschen sind anders als damals. Und auch die allgemeine Vergangenheit und Zukunft aus heutiger Sicht erscheinen ihr weniger rosig als damals.
Lieschen selbst hat in Zeiten des Aufbaus das Licht und Dunkel dieser Welt erblickt. Sie wurde auf dem Küchentisch gewickelt, der von Erspartem gekauft war, teilte lange das Bett mit ihren Eltern und wartete gemeinsam mit ihnen auf den Tag, an dem sich das Geld für die Waschmaschine in Kleinstbeträgen angehäuft hatte, sie gekauft werden konnte und das echte Kochen der Wäsche im Keller endlich ein Ende hatte. Sie trank den Fleiß und die Zuversicht mit der Muttermilch, die sie nicht abgepumpt, sondern direkt an der Bar bekam und auch in der Schule vermittelte man ihr den Eindruck, dass sich konsequentes Lernen eines Tages auszahlen werde.
Ihre Eltern wollten, wie viele Menschen dieser Generation, die als Kinder noch den Krieg erlebt haben und in zerbombten Städten groß wurden, dass sie es einmal besser haben sollte.
So ermöglichten sie ihr eine lange Schul- und Ausbildungszeit. Mit dem Abitur hätte sie sogar studieren können. Damals noch in Ruhe und mit der sehr wahrscheinlichen Aussicht auf Anstellung danach.
Doch die Liese hat zunächst eine Ausbildung gemacht. Das hat ihr nicht gefallen, doch es war leicht, eine Lehrstelle zu bekommen. Sie hatte mehrere zur Auswahl. Die gewählte hat sie, aufgrund ihrer Erziehung, natürlich die erforderlichen zweieinhalb Jahre durchgehalten. Sie hatte Vorbilder, die fleißig waren und ihr musste nicht erklärt werden, dass man, nicht nur wegen des Geldes, aber auch dafür, arbeiten muss. Das hat sie damals nicht in Frage gestellt. Und zu ihrer Zeit, vor viel mehr als dreißig Jahren, wurden fast alle Azubis, wie sie damals hießen, auch übernommen.
Heutzutage ist das alles anders. Lieschen beobachtet das im Grunde mit Argwohn und ist froh, dass sie weder Kinder noch Enkelkinder durch diese Zeiten in ihr selbständiges Leben begleiten muss.
Sie hat Mitgefühl mit den Schülern von heute, die in einer Welt des
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