Doppelte Schuld
Salat und dann in sautierter Entenleber. Moritz’ Lächeln wurde kühler.
»Ich gehe fort«, sagte sie irgendwann nach dem zweiten Wein.
Moritz sah sie an, die Augenbrauen zusammengezogen. Dann nickte er. »Du mußt tun, was du tun mußt«, sagte er und hob das Glas. Diesmal wirkte die Geste ironisch.
Sie wäre am liebsten sofort aufgestanden und gegangen, wenn nicht Frau Willke ins Eßzimmer gestürzt wäre, sie hatte noch die Schürze an und verdächtig glänzende Augen.
»Sie haben da jemanden gefunden, Herr von Hartenfels.«
Moritz’ Gesicht straffte sich, es schien nur noch aus Schatten und Kanten zu bestehen.
»Einen Toten. Im Schloßpark.«
Moritz legte die Serviette beiseite.
4
»Ich weiß von nichts. In den Park kann heutzutage jeder rein. Hinz und Kunz. Dafür kann ich nicht haftbar gemacht werden.« Der alte Graf war gereizt.
Reg dich nicht auf, Gregor, dachte Moritz. Die beiden Kriminalbeamten wirkten völlig gelassen. Der jüngere, Kriminaloberkommissar Jens Sager, lächelte, tippte mit dem Bleistift gegen seine Vorderzähne und schien an seiner Umgebung weit größeres Interesse zu haben als an der Frage, wie ein Toter in den Schloßpark von Blanckenburg gekommen war. Moritz folgte dem Blick des Mannes hinauf zum Ölbild, das über dem Kamin hing. Gawan der Schreckliche. Er sah dem heutigen Grafen von Hartenfels zu Blanckenburg wirklich erstaunlich ähnlich, vor allem wirkte er ebenso herrisch und schlecht gelaunt.
»Lieber Herr von Hartenfels«, begann der andere, ein bulliger Typ namens Köster. Ein taktischer Fehler. Moritz versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken.
»Von lieb kann nicht die Rede sein!« Der Graf funkelte den Kriminalhauptkommissar an. Der Jüngere der beiden schien den Zusammenstoß zu goutieren. Moritz schielte zu ihm hinüber. Der Mann hielt die linke Hand vor seinen Notizblock, offenbar, damit sein Kollege nicht sah, daß er nicht protokollierte – was denn? Etwa die Höflichkeiten, die die beiden austauschten? –, sondern Skizzen anfertigte: vom Raum, in dem sie sich befanden, Gartensaal genannt, in dem der Graf das Frühstück einzunehmen pflegte, solange es das Wetter erlaubte. Der Raum war gut getroffen – hell, langgestreckt, an der Stirnseite der Kamin mit dem Porträt von Gawan dem Schrecklichen. Sager hatte »1640–1723« darunter geschrieben. Davor ein Tisch, auf dem die Reste eines üppigen Frühstücks standen; die vielen kleinen Sesselchen, das Sofa und das ramponierte Klavier, das in der anderen Ecke des Saales stand, nur angedeutet. Nicht unbegabt, dachte Moritz.
»Schreib das auf, Sager«, knurrte Köster.
Jens Sager schob mit dem Zeigefinger seine Brille zurecht und sah ratlos vom Grafen zu seinem Kollegen und wieder zurück.
»Schreib auf, daß Gregor Graf von Hartenfels –«
»– zu Blanckenburg«, knurrte der Alte.
»Daß der Graf die Zusammenarbeit mit den ermittelnden Organen verweigert.«
»Dann fragen Sie doch einfach mich.« Moritz versuchte, eine halbwegs bequeme Position zu finden auf einem der Sesselchen, für das er viel zu groß war. Gregor funkelte ihn an. Er liebte keine Einmischung. Aber es war besser, wenn man sich der Polizei gegenüber kooperativ zeigte. Moritz erinnerte sich an die beiden, sie hatten vor einigen Jahren auf dem Schloß ermittelt, und man hatte sie nur mit Mühe davon abhalten können, die Rolle des Grafen bei der ganzen unglücklichen Sache damals genauer zu untersuchen.
Was er selbst für einen Ruf hatte, wußte Moritz ziemlich gut. Er war der Mann, der einen Schatz gesucht und ein Erbe gefunden hatte, wie die Blanckenburger sagten, die nicht immer glücklich damit zu sein schienen, daß sie zwar die »Gräflichen« zurückhatten, aber nur in Gestalt zweier unterschiedlich ältlicher Sonderlinge, die, so, wie es aussah, ohne Erben das Zeitliche segnen würden.
»Sie sind …« Sager hielt den Bleistift gezückt wie eine Stafette. »Ich meine – fürs Protokoll …«
Moritz lächelte. »Ich bin Moritz von Hartenfels, Adoptivsohn des Gregor von Hartenfels.«
»Ohne ihn gäbe es mich nicht mehr«, knurrte der Alte.
Moritz verbeugte sich lächelnd. Zuviel der Ehre, dachte er. Andererseits grenzte es tatsächlich an ein Wunder, daß Gregor noch lebte und daß er heute wieder auf dem Familiensitz in Schloß Blanckenburg wohnte. Das Schloß gehörte nach dem Krieg zur sowjetisch besetzten Zone, seine Besitzer wurden enteignet. Nach der Wende 1989 hatte niemand daran gedacht, dem Grafen den Familiensitz
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