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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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mit dem Geheimgang sehen wollen, der schon bei Merian erwähnt wird.« Er sah mit Genugtuung, daß die Neugier in Sagers Gesicht erlosch.
    »Und weiter?« Auch Köster verlor sichtlich das Interesse.
    Hartenfels zog die Augenbrauen hoch. »Und weiter? Dann ging er. Ich habe ihn nicht zur Tür gebracht, falls Sie das meinen.«
    »Und Sie haben keinerlei Vorstellung, warum der Mann am nächsten Tag tot aufgefunden wird?«
    »Nicht die geringste.«
    »Woran ist er gestorben?« fragte Moritz und hoffte inständig, daß er nicht allzu interessiert wirkte.
    »Keine natürliche Todesursache, soviel kann man sagen.« Köster zog die Augenbrauen zusammen und beäugte Moritz, als ob er ihn erst jetzt richtig wahrnähme.
    »Es kann sich ja jeder im Park herumtreiben. Alles mögliche Gesindel.« Der Alte klang noch immer kämpferisch, aber seine Hand zitterte, als er sich Kaffee in die Tasse goß. Der mußte längst kalt sein.
    Moritz wich dem Blick Kösters aus. Was sollte er antworten, wenn der ihn fragte, ob auch er den Toten kenne? Ja, ich kenne den Mann, aber ich habe keine Ahnung, warum er tot im Park von Blanckenburg gefunden wurde? Jedenfalls suchte er nicht das Bernsteinzimmer, und ein Spinner war er auch nicht, soweit ich weiß? Bloß nicht.
    Jens Sager klappte den Notizblock zusammen und erntete dafür einen ungnädigen Blick seines Kollegen.
    »War’s das?« fragte der Graf patzig.
    Köster starrte vor sich hin, als ob er auf eine Eingebung wartete. Dann schüttelte er den bulligen Schädel. Moritz atmete auf, als er die beiden zur Tür brachte.
5
    Es war nur ein Traum gewesen, aber die Bilder waren noch immer da – und die Gefühle, die er wachgerufen hatte. Um vier Uhr früh war Katalina naßgeschwitzt aufgewacht und aus lauter Angst vor einem erneuten Albtraum aus dem Bett geflüchtet. Zeus hatte verschlafen ein Auge geöffnet und dann weitergedöst. Interesse zeigte er erst, als sie die Umzugskartons vom Dachboden holte. Aber dann fing sie doch nicht an zu packen. Sie hatte sich an den Küchentisch gesetzt, im Kaffee gerührt und über die Szene vom Abend zuvor nachgedacht.
    Sie waren überstürzt aufgebrochen, nachdem Frau Willke mit der Nachricht von einem Toten im Schloßpark hereingeplatzt war. Als sie den Weg zum Schloß hochliefen, kam ihnen der Leichenwagen entgegen. Katalina hatte dem Mann, den sie in der schwarzen Limousine vermutete, gute Wünsche fürs Jenseits hinterhergeschickt. Im Park hatte die Kripo den Fundort abgesperrt und taghell ausgeleuchtet, Männer und Frauen in weißen Overalls suchten die Umgebung ab. Als Moritz Katalinas Zögern bemerkte, begleitete er sie zum Kutscherhaus. Fast war sie gerührt gewesen über seine Fürsorglichkeit.
    Vor der Haustür nahm er sie in den Arm. »Bleib!« Seine Stimme klang zärtlich und rauh. Sie hatte nicht geantwortet. Aber in ihrem Traum, im Albtraum, lag nicht der Tote im Gebüsch, jener Mann, der nach einem Blindenhund suchte, sondern Moritz.
     
    Katalina schüttelte sich. Sie mußte sich konzentrieren, das Wartezimmer war überfüllt, sogar auf dem Flur standen sie schon. Es war wie immer, wenn etwas passierte: Alle kamen als erstes zu ihr, die Klatschbasen der Stadt mitsamt ihrem Viehzeug. Ein Tierarzt war die moderne Variante des Beichtvaters oder der Ersatz für die geduldige Barfrau.
    Katalina seufzte und öffnete die Tür zum Wartezimmer. Es roch nach Eau de Cologne und feuchten Hundehaaren. »Wer war der erste?«
    Frau Werner stand auf, gefolgt von Liao-Wangtai von Aasenheim, ihrem prächtigen Chow-Chow. Katalina lächelte mit dünnen Lippen. Daß Frau Werner sich herabgelassen hatte, in die Praxis zu kommen, statt auf einem Hausbesuch zu bestehen, sprach Bände. Sie hatte sich wahrscheinlich ausgerechnet, daß auch andere an diese Quelle höheren Wissens pilgerten und Katalina deshalb keine Zeit haben würde. Da mußte sogar eine Frau Werner sich bequemen, wenn sie nichts verpassen wollte.
    »Also – das hat es früher nicht gegeben.« Ihr Eröffnungssatz klang unendlich vertraut. Früher, unter Honecker unter Hitler unter Milo š evi ć . Leute in einem gewissen Alter schienen überall auf der Welt ein bißchen Diktatur der zweifelhaften Freiheit vorzuziehen – im Namen von Ruhe und Ordnung.
    »Ein Toter. Schon wieder. Ich kann mich nicht erinnern … also in der DDR …« Sie zog die Augenbrauen zusammen und tat, als ob sie nachdächte.
    Du brauchst gar nicht so zu tun, dachte Katalina, die Liao-Wangtais Bauch abtastete. Eine Todesrate

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