Doppelte Schuld
zurückzugeben, der seit dem 13. Jahrhundert denen von Hartenfels gehört hatte. Alle glaubten, von den nach 1945 geschaffenen Tatsachen profitieren zu können. Und so hatte man auf eine jener märchenhaften Gestalten gesetzt, die damals mit viel Geld in den Taschen durch die Länder der ehemaligen DDR reisten und blühende Landschaften versprachen: auf den Investor. Derjenige, dem man das Schloß für einen symbolischen Preis verkaufte, investierte jedoch keineswegs, sondern ließ den alten Kasten verfallen. Der Plan, aus dem Schloß ein Golfhotel zu machen, war ja auch eine ziemliche Schnapsidee.
»Sie wohnen auf Schloß Blanckenburg – seit?« Sager lächelte wieder, als ob er sich für die Frage entschuldigen wollte. Was tat man nicht alles fürs Protokoll.
»Seit drei Jahren.« Seit ein windiger Anwalt und seine Familie, den alten Grafen im Schlepptau, auf Schatzsuche gegangen waren in Schloß Blanckenburg. Ihr Ende war furchtbar. Er erinnerte sich noch gut an den Anblick der Leiche, die in der Krypta der Schloßkirche gelegen hatte – in einem der alten Sarkophage. Exit Alex Kemper, Rechtsanwalt.
Der alte Graf überlebte und blieb. Warum bist du eigentlich geblieben, fragte er sich, als gräflicher Adoptivsohn? Du glaubst doch wohl selbst nicht, daß so etwas einen lebenslangen Makel auslöschen könnte. Und wenigstens nützlich könntest du dich machen.
Moritz rutschte unruhig auf seinem Sessel herum, während Sager immer noch so tat, als ob er wichtige Ermittlungsergebnisse notierte. Er wußte, daß es Blanckenburg nicht attraktiver machte, wenn es zwar ein Schloß vorzeigen konnte, das jedoch zwei alten Knackern gehörte, die das nötige Geld nicht zusammenbrachten, um den viel zu großen Barockkasten in einen brauchbaren Zustand zu versetzen.
Und was kam nach ihnen? Nichts. Gregor war der letzte seiner Linie. Und Moritz …
Wer weiß, sagte diese hartnäckige innere Stimme, die er seit Jahren auszuschalten versuchte. Vielleicht ist da ja doch etwas? Denk an Rebeccas Tochter. Denk an das Kind, Sacha. Und wenn es deine Enkelin wäre …
Aber er wollte nicht an Rebecca denken. Katalina war wichtiger. Die Szene gestern abend beschäftigte ihn; daß sie gehen wollte, schmerzte mehr, als er gedacht hätte.
Köster stand auf. »Kurz und gut«, sagte er. »Es ist gestern abend im Park …«
»… ein toter Mann gefunden worden, Sie sagten es schon.« Der Alte war noch immer ungnädig. »Und von wem?«
»Von wem?« Köster tat begriffsstutzig.
»Rede ich undeutlich? Von wem ist der Tote gefunden worden?«
»Von einem Spaziergänger. Er führte seinen Hund Gassi.«
»Ja, wir sind das beliebteste Hundeklo Blanckenburgs«, knurrte der Graf. »Kennt man den Mann?«
»Tourist«, sagte Köster. »Unverdächtig. Aber vielleicht schauen Sie sich den Toten mal an.« Der Bulle legte dem Alten ein Foto neben den Frühstücksteller. Gregor fummelte in seiner Westentasche nach der Lesebrille, die er auseinanderfaltete und umständlich aufsetzte. Dann nahm er das Foto auf, beäugte es und brummte Unverständliches.
Sager blätterte in seinem Notizblock ein paar Seiten zurück. »Todeszeit gestern früh, zwischen 7 Uhr 30 und 8 Uhr 30.«
»Kennen Sie ihn?« fragte Köster.
»Ja.« Der Alte schaute von Köster zu Sager und zurück und brachte es fertig, tief gekränkt und triumphierend zugleich auszusehen.
Moritz wagte einen Blick auf das Foto und hielt erschrocken den Atem an. Auch er kannte den Mann.
Der Graf faltete die Lesebrille wieder zusammen. »Der Tote – wie, sagten Sie noch, war der Name?«
»Wir hofften, daß Sie ihn uns nennen können«, sagte Sager.
»Woher denn? Dieser Herr platzte gestern nachmittag unangemeldet herein und behauptete, er habe Informationen, die uns interessieren könnten.«
Verdammt, dachte Moritz. Das Blut in seinen Ohren rauschte und übertönte alles andere. Wieso war der Mann plötzlich in Blanckenburg aufgetaucht, aber bei Gregor und nicht bei ihm? Und wie kam der Kerl tot ins Gebüsch?
»Und?« Kriminalhauptkommissar Köster, ungeduldig. »Hat er sich nicht vorgestellt?«
»Vielleicht. Kann sein. Ist mir entfallen. Das war ein Wichtigtuer.« Von Hartenfels breitete die Arme aus.
»Was waren denn das für Informationen?« Sager reckte den Bleistift und beugte sich vor.
Moritz räusperte sich. »Ach, wissen Sie, hier kommen ständig irgendwelche Spinner vorbei, die nach dem Bernsteinzimmer suchen oder nach einem Nazischatz oder die unbedingt den berühmten Brunnen
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