Doppelte Schuld
doch mal Ihre Phantasie! Ihr Geliebter hat hinter ihrem Rücken ihr Lebensgeheimnis ausspionieren lassen. Für eine Frau wie Katalina Cavic ist das unverzeihlich. Ein Vertrauensbruch. Verrat. Das schlimmste vorstellbare Unglück.« Die Katze hatte die Arme ausgebreitet und gelächelt.
Moritz war das Herz in die Kniekehlen gesackt. »Was weiß sie?«
»Sie hat die Akte gelesen, von der Detektei Hermes. Die über ihren Vater.«
»Es gibt keine. Ich habe nie eine bekommen.«
Axt grinste triumphierend. »Natürlich nicht, die haben wir. Aber Sie haben sie in Auftrag gegeben. Und wissen Sie, was drinsteht?«
»Sie werden es mir sicher gleich erzählen.«
»Aber gerne. Der Vater Ihrer Freundin ist tot. Im Handgemenge erschossen, irgendwo verscharrt. Jemand hatte seinen Feinden einen Tip gegeben, wo er zu finden war. Im Klartext: Er wurde verraten. Von einer jungen Frau. Von einer Frau, die ihn gut kannte, ihn und seine Gewohnheiten. Na? Fällt der Groschen?«
Moritz schüttelte benommen den Kopf.
»Es war seine Tochter. Die eigene Tochter hat ihn seinen Gegnern ausgeliefert. Ihre Freundin, die Tierärztin Katalina Cavic. Was meinen Sie, wie die das findet, daß Sie sie haben ausschnüffeln lassen und nun alles wissen!«
Es tat fast so weh wie der Tod Ninas und war schlimmer als die Trennung von Rebecca. Er konnte sich vorstellen, was Katalina empfand, was sie empfinden mußte. Sie fühlte sich nicht nur verraten, sondern auch verhöhnt. Er mußte mit ihr sprechen, ihr alles erklären.
Axt hatte fast mitleidig gelächelt.
Moritz blieb stehen und legte die Stirn an die Wand. Sein Kerkermeister hatte Katalina nicht eingesperrt, aber das mußte er auch nicht. »Sie kooperiert.« Er ließ sie frei umherlaufen, als seine lebende Waffe. Das konnte nur eines heißen: Sie brachte sich in Gefahr.
Als sich der Schlüssel im Schloß drehte, war Moritz zu allem bereit.
Ein tollkühner Sprung und dann dem Mann an die Gurgel gehen, seine Bodyguards mit der Drohung auf Entfernung halten, daß er dem Alten den Hals umdrehen würde, dann den Schlips langsam zuziehen, »Wo ist sie?« brüllen und »Was haben Sie mit ihr gemacht?«, in einer Wolke aus roter Wut aus dem Verlies brechen und …
Wie der Drachentöter die Jungfrau retten, dachte Moritz seufzend und drehte sich resigniert zur Tür. Mach dir nichts vor, sagte er sich. Du bist dem Kerl ausgeliefert, wie wir alle. Dem Kerl und dieser Frau, die deine Mutter ist.
Den Mann, der in der Tür stand, kannte er nicht. Er war schlank, hatte braune Augen und Haare, aber nicht mehr viel davon. Er trug Jeans, ein weißes Hemd und eine Lederweste. Ein ganz und gar unauffälliger Typ. In der Hand hielt er einen angebissenen Apfel.
»Herr von Hartenfels?«
»Ja. Und Sie?«
»Ich will Sie bloß schnell hier rausholen.« Der Mann biß geräuschvoll in den Apfel.
»Aber … wieso …«
»Wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es Freiheitsberaubung. Dafür sind wir damals nicht auf die Straße gegangen.«
Moritz mußte ihn völlig entgeistert angestarrt haben.
»Ich bin Carlo.« Der Mann lachte und streckte ihm die Hand hin. »Ich vertrete Frau Willke oben in der Rezeption.« Dann stutzte er. »Entschuldigung, ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wo Sie sind.«
»Im Keller vom Hotel Viktoria Luise.« Moritz hätte fast gelacht vor Erleichterung.
»Genau!« Carlo strahlte. »Hier soll die Sauna hin, wenn die Willke endlich das nötige Geld beisammenhat.«
»Und warum holen Sie mich hier raus?« Und was mochte Frau Willke dazu sagen?
»Wer, wenn nicht ich?« Der Mann biß wieder in den Apfel. »Ich hab’ mir noch kurz vor der Wende ein paar Monate Knast wegen republikfeindlicher Hetze eingehandelt. Ich mag es einfach nicht, wenn die alten Kader wieder aus der Versenkung auftauchen und so tun, als ob sie noch immer das Sagen hätten.«
»Und Frau Willke …«
»Die Willke kommt aus Bochum und glaubt alles, selbst wenn man ihr erzählt, man benötige ihren Saunakeller für ein Selbsterfahrungsseminar für Manager. Aber mir kann der Kerl nichts vormachen, der elegante Herr Axt. Als ich merkte, wie seine beiden Schläger treppauf, treppab liefen …«
Er klimperte mit dem Schlüssel. »Sie sollten sich beeilen.« Er ging voran, die Treppe hinauf.
Moritz warf einen letzten Blick in sein Gefängnis. Er mußte Katalina finden und sich um Gregor kümmern, und das so schnell wie möglich.
»Es wird Sie interessieren: Der reizende Herr mit der Glatze hat vorhin mit unserem
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