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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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das Rauschen peitschte durch seine Adern. Ich wartete angespannt, bis er seine langen Wimpern wieder hob. Ein ironisches Lächeln lag in seinen Augen. »Nicht gerade eine Faschingsparty mit uns, was?«
    »Ich mochte Fasching noch nie. Colin, ich will Angelo nur ein bisschen beobachten und vielleicht mit ihm sprechen, nach Papa fragen will ich ihn gar nicht. Nicht so schnell. Immerhin ist er nicht vor dir weggelaufen, er hat dich sogar begrüßt! Du kannst gerne mitkommen, mich jederzeit beschützen und wegbringen, wenn es gefährlich wird. Von mir aus. Ich mag es zwar nicht, aber …« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihn nicht als mögliche Informationsquelle betrachten würde. Es geht hier um meinen Vater!«
    Colin wurde zusehends unruhig. Immer wieder schweiften seine Blicke nach draußen, wo es im Dickicht knisterte und raschelte. Vielleicht war er gar nicht mehr in der Lage, mit mir zu sprechen, also nahm ich sein Schweigen mal wieder als ein Ja. Er würde mich morgen Abend nach Pietrapaola begleiten. Nachdem er mich in dieser stockfinsteren Nacht in einer winzigen, steinigen Höhle alleine ließ, umgeben von Brandherden und wilden Tieren. Es war mehr, als ich im Moment bewältigen konnte.
    »Colin … mach mich müde. Lass mich schlafen, bevor du gehst«, bat ich ihn leise. Ich hatte mich bisher immer dagegen gesträubt, wenn er es getan hatte, es war mir wie ein Übergriff vorgekommen, eine Einmischung in mein Dasein. Jetzt sehnte ich mich danach. »Schenk mir Schlaf. Bitte.«
    Es war nur eine kaum spürbare, federleichte Berührung seiner kühlen Lippen auf meiner Stirn, nicht einmal ein Kuss, doch sie genügte, um mich innerhalb eines Sekundenbruchteils meines Bewusstseins zu berauben und in den Tiefschlaf fallen zu lassen.
    Wäre mein Geist noch wach geblieben, wie er es gerne tat, wenn mein Körper sich seinem natürlichen Schlaf hingab, so hätte er begriffen, welch monströse Macht in diesem Wesen neben mir lauerte, und mir verboten, mich je wieder in seine Nähe zu wagen.

A MOR UND P SYCHE
    »Ha!« Gianna schaufelte mit einer temperamentvollen Bewegung die zerkleinerten Zwiebeln in die Pfanne, wo das Hackfleisch brutzelte und einen Duft verströmte, der mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. »Ich hab’s! Jetzt hab ich’s!« Ihre Falkenaugen leuchteten vor Triumph, als sie sich mit hocherhobenem Kochlöffel zu mir umdrehte. »Mesut Özil!«
    »Mesut Özil?«, echote ich fragend und erlag bei dem Gedanken an Fußball sofort einem leichten Gähnreiz. Welche Theorie würde Gianna nun aufstellen? Es geschah hin und wieder, dass Gianna aus heiterem Himmel einen Prominentennamen ausrief und ihm irgendetwas Mahrisches zuordnete (Halbblut, Befall, Wandelgänger), oder aber es folgte eine Zusammenfassung einer ihrer abstrusen Träume, die offensichtlich von der großen bunten Medienwelt genährt wurden. Mit Mesut Özil konnte ich allerdings gar nichts anfangen.
    »Hier!« Gianna eilte zu mir herüber, zog die Zeitung von gestern unter den Zwiebelschalen hervor und blätterte in ihr herum, bis sie die entsprechende Seite gefunden hatte. Mit den Fingerknöcheln klopfte sie auf einen Fußballbericht mit riesigem Foto. Langweilig. »Das ist er. Er hat auch so seltsame Augen. Wie Angelo.«
    »Na jaaaa«, sagte ich ablehnend, nachdem sie mir die feuchte Zeitung vor die Nase geschoben hatte. Gianna hielt immer noch Abstand. Wir hatten zwar unser altes Obstsalatritual wieder aufgenommen, aber ich durfte nur dabeisitzen und zuschauen, nicht schnibbeln. Es sollte mir recht sein, ich war nie besonders erpicht auf Hausarbeit gewesen, aber ihr Verhalten kränkte mich nach wie vor. Es war eine unüberbrückbare Distanz zwischen uns entstanden. Wahrscheinlich hatte ich mir nur eingebildet, dass wir Freundinnen gewesen waren. Und was blieb ihr anderes übrig, als mich einigermaßen nett zu behandeln? Sie war die Partnerin meines Bruders. Sie musste das tun, ob ihr danach war oder nicht.
    Dennoch waren wir hier zusammengekommen, um die Ereignisse von gestern Nacht zu besprechen. Colin hatte mich kurz vor Sonnenaufgang zurück nach Hause gebracht. Als ich aus meinem komaartigen Schlaf erwacht war, tumb und orientierungslos wie nach einer Narkose, hatten wir uns schon auf der Rückfahrt befunden. Trotz meiner Betäubung wälzte ich nur einen Gedanken: Würde der Skorpion noch da sein? Oder hatte er sich bereits wieder davongeschlichen, wie er es im Morgengrauen zu tun pflegte?

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