Dornenkuss - Roman
gleichgültigen Schulterzucken.
Doch als ich durch den Garten schlenderte und mich vor die Duschwanne kniete, beschleunigte mein Herz seinen Rhythmus; harte, stechende Schläge.
Staunend verharrte ich.
»Da seid ihr ja«, begrüßte ich sie, ganz leise, um sie nicht zu erschrecken. »Herzlich willkommen in dieser wunderschönen Welt.«
Ihre Mutter ruhte in einer eleganten Krümmung neben ihnen; bereit, sie jeden Moment zu verteidigen. Sie selbst bildeten ein wuselndes, schimmerndes Knäuel aus sich kringelnden silbergrauen Leibern. Riesige, runde Augen mit starren Pupillen schauten mich an, unschlüssig, ob ich Feind oder Freund war.
»Freund«, wisperte ich. Auch sie wollte ich bei mir haben. Sie bedeuteten mir etwas. Ich lief zurück ins Haus und durchsuchte die kleine Vorratskammer, bis ich einen alten Pappkarton mit Deckel fand, in dem Tomatenkonserven lagerten. Ich leerte ihn; er hatte genau die richtige Größe. Mit der Schere stach ich Luftlöcher hinein. Ich konnte sie nicht hier zurücklassen, so allein und verletzlich. Das nächste Erdbeben würde sie vernichten.
Sie wehrten sich nicht, als ich mich wieder neben sie kniete und Mutter und Kinder in den dunklen Karton setzte. Ich pustete sacht über ihre glatten, perfekt gezeichneten Schuppen, bevor ich die Kiste verschloss und zu dem Auto brachte, das Tillmann heute Morgen gemietet hatte. Im Fußraum des Beifahrersitzes war genügend Platz für sie.
Eines musste noch getan werden, dann würde ich so weit sein. Denn ich verspürte plötzlich die Lust zu morden, nur ein bisschen. Nichts Weltbewegendes. Ich holte den Grillspieß aus der Küche, ging ein letztes Mal in mein Zimmer und legte mich flach auf den kühlen Boden, um unter mein Bett zu kriechen. Ich stieß ein triumphierendes Keuchen aus, als ich ihn fand; all die Tage und Wochen nach seinem giftigen Stich hatte er hier gesessen und auf seine zweite Chance gewartet. Es ging überraschend schnell, obwohl ich nicht ausholen konnte und sein Panzer fest und spröde war. Doch er konnte meiner Entschlossenheit nichts entgegensetzen, ich war ihm einen Gedanken voraus. Ein Knacken ertönte, als die Spitze des Spießes sich durch seinen Leib bohrte. Noch während er zuckte, fädelte ich ein dünnes Lederband durch das Loch und band ihn mir um den Hals. Jetzt war ich bereit.
Tillmann wartete schon im Wagen. Er hatte mich gehört und gewusst, dass es begann. Ohne ihn anzusehen, setzte ich mich neben ihn. Er hatte sich saubere Sachen angezogen, das erkannte ich aus den Augenwinkeln heraus, doch ich spürte sofort, dass seine Gefühle in Aufruhr waren. Er stand unter Stress – nicht meinetwegen, sondern weil er keinen Stoff mehr hatte. Er benötigte drei Anläufe, um den Motor anzuschalten, weil seine bebenden Hände immer wieder vom Zündschlüssel rutschten. Ich wartete geduldig. Noch hatten wir genügend Zeit.
Stumm und mit malmendem Kiefer brachte er mich vom Meer weg und hinauf in den Wald – ich wies ihm lediglich mit knappen Gesten den Weg, Worte waren überflüssig –, während sein Schweiß in dicken, glitzernden Tränen über seinen Nacken rann. Die Straße brachte auch ihn an seine Grenzen, da das Erdbeben noch mehr Geröll und Steine in Bewegung gesetzt und auf sie geworfen hatte. Manchmal manövrierte er den schleudernden Wagen nur haarscharf am Abgrund vorbei, dann wieder schrammten die Reifen gefährlich nahe am Felsen entlang. Nichts davon konnte mich in Aufregung versetzen. So kurz vor dem Ziel würde ich nicht scheitern. Es würde alles seinen Lauf nehmen, genau so, wie ich es wollte.
Als wir an die Abzweigung zu dem verlassenen Dorf gelangten, bat ich ihn, anzuhalten und den Motor auszustellen. Er gehorchte, ohne zu zögern. Ich atmete tief ein.
»Du stinkst abartig«, bemerkte ich. Menschen stanken. Mahre nicht. Warum hatte ich ihn nur dabeihaben wollen? Er störte mich.
»Mann, ich hab einen Affen, kapierst du das nicht?«, raunzte er mich an, als er meinen Abscheu bemerkte. Ich antwortete nicht.
Hektisch durchwühlte er seine Hosentaschen, bis er ein kleines buntes Briefchen fand und sich auf die Zunge legte. Seine Kiefermuskeln arbeiteten rhythmisch, während sein Nacken gegen die Kopfstütze des Fahrersitzes sank und seine Augen sich leicht verdrehten.
Angeekelt von seiner Schwäche wandte ich mich ab und öffnete den Mund, um die heiße Luft zu inhalieren, trockenes Gras und Feuer, als meine Zunge und meine Lippen plötzlich Worte formten.
»Tillmann, erinnerst du dich
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