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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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Nachschub.
    »Aber ich weiß, wer ich sein will, und ich möchte, dass die anderen um meine Freiwilligkeit wissen. Sie sollen wissen, dass ich es selbst entschieden habe, sonst würden sie sich ihr Leben lang darüber grämen. Wenn du es schon nicht für mich tust, dann tu es für sie.« Ich sprach weder panisch noch gehetzt, sondern bemühte mich, jedes einzelne Wort klar und bestimmt zu artikulieren, damit ihm auch ja keines entging. »Du musst mir vertrauen.« Ohne ihn würde ich es nicht tun können.
    »Ich muss gar nichts!« Tillmann nahm eine der halb leeren Flaschen und zielte auf mich. Es genügte, meinen Kopf ein paar Zentimeter zur Seite zu nehmen, um nicht von ihr getroffen zu werden. Ihr Deckel löste sich beim Aufprall und der gegorene Rest der Orangenlimonade floss sofort unter meine nackten Knie. Ich blieb trotzdem hocken, wie ein Büßer vor dem Altar.
    »Ich habe dir ebenfalls vertraut, blind vertraut«, erinnerte ich ihn. »Ich habe Drogen genommen, nur weil ich dir vertraut habe.« Ich wusste nicht mehr, warum wir sie genommen hatten, es hatte wohl etwas mit Tessa zu tun gehabt. Alles, was ich wusste, war, dass ich es eigentlich nicht hatte tun wollen und mich nur deshalb dazu entschlossen hatte, weil ich ihm mein Vertrauen schenkte. »Also vertrau auch du mir in meinem Vorhaben. Wir sind Freunde.«
    »Freunde!« Er zog verächtlich die Mundwinkel herunter. »Du redest von Freundschaft …«
    »Warum bist du überhaupt noch hier, wenn du mich so hasst?«
    »Weil … weil ich noch … ich kann so nicht nach Hause, Ellie! Wie soll ich denn so nach Hause gehen, in diesem Zustand, wie soll ich das erklären, außerdem … ach, was erzähle ich dir das, du kannst doch gar nicht mehr zuhören …«
    »Erinnerst du dich daran, was du zu mir gesagt hast, bevor wir die Drogen nahmen? Dass wir manchmal die gleiche geistige Ebene erreichen?«, versuchte ich es weiter. »Wenn du mitkommst, wirst du spüren, warum ich das tue, und du wirst mich verstehen. Vertrau mir wenigstens darin. Bitte, bitte vertrau mir und komm mit. Bring mich hin. Ich möchte jene bei mir haben, die ich liebe.« Den letzten Satz sprach ich noch klarer und deutlicher aus als die anderen, obwohl ich eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. Ich möchte jene bei mir haben, die mich lieben. Aber das konnte ich nicht sagen. Es gab wahrhaftig niemanden mehr.
    »Die du liebst?«, fragte Tillmann ungläubig. Seine Hände, die eben noch krampfhaft miteinander gerungen hatten, fielen herab. »Du liebst … mich? Mich?«
    »Du hast mich verstanden. Sei da. Übermorgen Nachmittag, wenn die Menschen schlafen und die Hitze am stärksten ist. Nur du allein. Du und ich. Vertrau mir … bitte, vertrau mir.«
    Ich senkte meinen Kopf, die Hände weiterhin gefaltet und auf meinen Knien verharrend, obwohl meine Waden unruhig wurden und ich den Gestank nach vergorener Limonade und Erbrochenem kaum mehr ertragen konnte. Ich wusste nicht, woher all die Worte kamen, die ich ihm sagte. Meinem Kopf entsprangen sie nicht. Mein Kopf war leer.
    »Du hast den Verstand verloren.«
    »Du auch, Tillmann. Wir haben es beide. Bitte sei bei mir, wenn es geschieht. Ich bitte dich darum. Bitte. Du bist mir das schuldig.«
    Ich spürte, dass er mich ansah, minutenlang, und darauf wartete, dass ich seinen Blick erwiderte. Doch ich tat es nicht, denn es würde alles zunichtemachen. Ich hatte nicht das Recht, in seine Augen zu schauen.
    »Ja, vielleicht bin ich das. Ich bin dir etwas schuldig. Ich werde es tun«, sagte er schließlich ermattet. »Und ich hoffe, dass ich es tatsächlich verstehe, wenn es geschieht. Ich hoffe es. Sonst werde ich nie wieder glücklich, nie mehr.«
    »Ich auch nicht. Genau deshalb muss ich es tun.« Ich stand auf, mein Gesicht von ihm abgewandt, warf ihm das letzte Bündel Geld aus meiner Hosentasche vor die Füße, damit er sich versorgen konnte, und drehte mich zur Tür. »Danke.«
    Mehr konnte ich nicht sagen. In mir bildeten sich keine neuen Worte.
    Ich ging hinunter in mein leeres Zimmer, schloss die Läden, legte mich auf mein Bett und begann mich still daran zu freuen, dass der Tag nahte, an dem meine Seele meinen Körper für immer verlassen würde.

B LENDUNG
    Nun war die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen. Viel gab es nicht mehr, von dem ich mich lösen musste, nur ein leeres Haus und leere Zimmer, zwischen deren kahlen Wänden sich nichts mehr abspielte. Ohne etwas zu fühlen, sah ich sie mir an und verließ sie mit einem

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