Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
Vom Netzwerk:
Sonne auf meiner Haut spüren.«
    Er nahm eine meiner Locken an seine weichen Lippen und küsste sie – ein Anblick, den ich niemals vergessen wollte.
    »Ich werde da sein.«
    »Ich komme dir entgegen.«
    Er nickte. »Dann sei es so. – Hat er dir wehgetan?« Er deutete auf die Verletzungen in meinem Gesicht. Die Hitze des Feuers hatte die Risse und Schnitte, die ich mir bei meinem Sturz auf das scharfkantige Gestein von Santorin zugezogen hatte, wieder aufplatzen lassen.
    »Colin?« Ich lachte kalt. »Das würde er niemals wagen, er hat sich doch geschworen, mich nicht mehr anzurühren. Ich bin während des Bebens gestolpert und hingefallen.«
    »Also hat er dir einst etwas angetan.«
    »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es ist egal.« Ich warf den abgekauten Stiel des Lollis in den Garten und löste ein paar winzige Steinchen aus Angelos Haar. Auch seine Wangen waren überpudert, grau in grau, nur seine Augen leuchteten hell und klar wie immer. »Bald wird mir niemand mehr etwas antun können. Du musst weg, oder?«
    Anstatt zu antworten, stand er auf und schritt durch den Salon und die Treppe hinauf, aus der ebenfalls Stufen herausgebrochen waren. Das Geländer hing herab wie eine versteinerte Liane. Ich folgte ihm bis in sein Schlafzimmer, wo er sich sein staubiges Hemd über den Kopf zog und sinnend vor den offenen Kleiderschrank stellte, unschlüssig, was er für seine nächtlichen Raubzüge wählen sollte. Ich lehnte mich an den Türrahmen und sah ihm bei seiner Suche zu, es verlieh mir tiefe Zufriedenheit, dabei sein zu dürfen, während er sich für die Jagd herrichtete.
    »Entschuldige bitte übrigens …«, sagte er beiläufig und wählte ein helles, kariertes Hemd. Babyblau. Viel zu schnell streifte er es über. Ich hätte ihn noch so gerne angesehen, seine nackte, seidige Kinderhaut mit meinen Blicken gestreichelt. »Ich hab noch nicht aufgeräumt.«
    »Ich war hier, als es geschah, und hatte Angst bekommen. Deshalb bin ich nicht mehr zurückgekehrt.«
    »Ach, es wird schon nicht einstürzen. Und wenn, es gibt noch viele andere schöne Häuser.«
    Doch, es würde einstürzen, ich wusste es. Und der Gedanke daran brachte die Wehmut in meinem Inneren dazu, sich erneut gegen mein Herz zu drücken und mir die Luft zu nehmen. Bald würde sie vorübergehen, für immer. Bald. Nur noch ein Tag und eine Nacht.
    Ich wollte ihn nicht küssen, als wir uns schweigend verabschiedeten. Ich wollte nur meine Hand auf seine Wange legen, um begreifen zu können, was ich sah, dass er mir schenken wollte, was andere mir niemals geben konnten. Doch ich tat gar nichts.
    Er berührte mit den Fingerspitzen meine Schulter, bevor er in seinen glänzenden roten Alfa Romeo stieg und den Motor anließ. Ich blieb allein zurück, jeder Atemzug eine Qual, die mich meiner Sterblichkeit bewusst werden ließ.
    Und mich daran erinnerte, dass sich etwas verändern musste.
    Es musste sich etwas verändern.
    Ich würde den Tod hinter mich bringen.

V ERTRAUENSBEWEIS
    Ich hatte recht gehabt. Sie liebten mich nicht mehr. Sie waren gegangen. Ratlos saß ich auf dem breiten Ehehimmelbett im Schlafzimmer, vollkommen fehl am Platz, und strich über das ordentlich ausgebreitete schneeweiße Laken.
    Die Läden waren geschlossen worden, die Schränke und Schubladen ausgeräumt, der Boden mustergültig gefegt. In der Küche sah es nicht anders aus. Jemand hatte den gammelnden Schwamm in der Spüle entsorgt, den Müll weggeworfen und den Kühlschrank aufgeräumt; nichts schimmelte und verkam mehr, doch die Vorräte waren knapp. Ein paar Gläser Marmelade, Butter, Honig, Saft und Toast; nichts, was schnell verderben konnte. Die Obstschale war leer. Eine dünne schwarze Termitenspur zog sich von der Haustür durch den Flur bis zum Hinterausgang. Finden konnten die Insekten nichts. Sie suchten umsonst.
    Obwohl ich liegen und träumen wollte und dieses Zimmer von nun an meines sein konnte, wagte ich es nicht, mich auf die weiche Matratze sinken zu lassen. Ich stützte mich nur mit der Hand darauf ab, legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben, wo sich der Baldachin über mir ausbreitete, ein helles Segel in der künstlichen Dunkelheit, die dazu geschaffen worden war, die Hitze auszusperren, vor Tagen schon. Sie waren längst fort.
    Aber jetzt war Nacht. Ich öffnete das Fenster, stieß die Läden auf und sah nach draußen in den Garten. Der Pferdemist war entsorgt worden. In der Tränke stand noch Wasser, nicht viel, vielleicht zwei Handbreit

Weitere Kostenlose Bücher