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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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wehgetan. Ich weiß nicht, warum, aber es hat mir wehgetan …«
    »Nicht aus Eifersucht, oder?« Colin sah mich fragend an.
    »Nein. Ich sah in meine Zukunft. Das würde auch mir irgendwann widerfahren und ich würde niemals darüber hinwegkommen.«
    Colin schwieg einige Minuten. Ich wusste nicht, wo seine Gedanken waren. Vielleicht begriff er wie ich, dass nicht alles unsere Schuld gewesen war. Auch Zufälle hatten Angelo in die Hände gespielt. Einer davon war Charlotte gewesen. Und doch rührte die Tragik dieses Zufalls aus dem, was er mir angepriesen hatte und Colin verdammte: der Unsterblichkeit.
    »Ellie, ich kenne keine Angst und Panik wie du; solche Gefühle sind mir fremd, aber ich glaube, das, was ich seit Hamburg empfunden habe, kam dem nahe … Wie ein ständiges Schreien in meiner Brust.« Colin berührte mit dem Daumen beiläufig seinen Solarplexus, jene samtige Stelle, die ich so gern küsste. »Ich wusste, wie sehr ich dich im Kampf gegen François verletzt hatte und dass ich von nun an dabei zusehen musste, wie du mir entgleiten würdest.«
    »Aber … aber das hatte ich nie vor! Nie!«, entgegnete ich aufgebracht. »Ich wollte dir nicht entgleiten, ich wollte das Gegenteil davon!«
    »Lassie, ich hab dir in den Bauch getreten, dich beinahe ertränkt, deine Finger mit meinem Stiefelabsatz zermalmt. Das hast du doch nicht vergessen, oder?«
    Nein, das hatte ich nicht. Ich glaubte auch nicht, dass man so etwas überhaupt irgendwann vergessen konnte. Aber es hatte seinen Sinn gehabt. Es sei denn, das, was Angelo angedeutet hatte, stimmte und es hätte andere Möglichkeiten gegeben, den Kampf zu bestehen. Eine davon hatte sich in mir festgebissen wie eine Zecke. Dass Colin sich statt an Zootieren nicht an unschuldigen Menschen satt getrunken hatte, verstand ich inzwischen wieder – vor allem nach dem, was Morpheus mir über ihn erzählt hatte. Aber warum hatte Colin ausgerechnet mich als Gefühlsbrutstätte benutzt? Warum nicht sich selbst?
    »Hättest du denn nicht deine eigene Wut und deinen Zorn nehmen können, um François zu vergiften?«, sprach ich meine Gedanken aus, ohne auf seine Frage zu reagieren. Er kannte die Antwort sowieso.
    »Es hätte nicht funktioniert. Das dachte ich jedenfalls. Nur menschliche Gefühle zeigen bei Mahren Wirkung. Ich will es damit nicht schönreden, aber ich befand mich in einem klassischen tragischen Konflikt. Ich hatte die Wahl zwischen Scheiße und noch mal Scheiße.«
    Ich grinste schwach, obwohl das, was Colin sagte, nicht ansatzweise komisch war. Doch ich hatte ihn viel zu lange nicht mehr reden gehört. Ich liebte diese eigenartige Kombination aus gesetztem, vornehmem Stil, feiner Ironie und Kraftausdrücken.
    »Ich hätte mich gegen den Kampf entscheiden und Pauls Tod provozieren können. Damit hättest du nicht leben können. Das hättest du mir nicht verziehen, oder? Die andere Variante bedeutete, dich dazu zu benutzen, François raubunfähig zu machen, und euer aller Leben zu gefährden. Du warst die Einzige, die ich gut genug kannte, um es auf die Spitze zu treiben, aber ich wusste, dass ich damit einen Keil zwischen uns schlage. Wir hatten keine Möglichkeit, es gut zu machen, Ellie. Wir konnten es nur schlecht machen. Ich konnte es nur schlecht machen. Ab da wusste ich, dass ich dich verlieren würde … und musste dabei zusehen. Es hat mich beinahe in den Wahnsinn getrieben.«
    Ich wollte ihm widersprechen, doch ich konnte es nicht. Es wären Lügen gewesen. Dennoch hätte ich mich wieder dafür entschieden, meinen Bruder zu retten. Wieder und wieder und wieder. Es war immer noch die kleinere Scheiße von beiden unseligen Varianten.
    »Denkst du denn jetzt anders darüber? Du hast eben gesagt, dass du dachtest, es würde funktionieren, François mit meinen Gefühlen zu vernichten. Hat es das etwa nicht?«
    Colin neigte abwägend den Kopf. Eine dunkle Strähne fiel tanzend über seine Brauen. »Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte François im Kampf das Auge herausgerissen. Nun habe ich gesehen, wie du Angelo geblendet hast und ihn damit raubunfähig machtest … ihm seine Kraft nahmst. Vielleicht war das mit dem Auge der entscheidende Punkt. Ich weiß es nicht. Umso mehr bereue ich, was ich dir angetan habe.«
    »Warum hast du dann ausgerechnet in diesem Moment damit angefangen, ständig von deinem Tod zu sprechen?«, fragte ich gefasst. »So etwas ist nicht besonders beziehungsstabilisierend.«
    »Weil du mich noch liebtest. Die Formel …«

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