Dornenkuss - Roman
schlug ihre Faust gegen die blanken Kacheln. »Das zählt. Das ist vielleicht sogar besser als eine bebende Erde. Und es ist auch nicht so, dass du dir dabei wünschst, er würde endlich fertig werden, weil du in Gedanken schon den Einkaufszettel für nächste Woche erstellst?«
Nun musste ich kichern, obwohl mich das Thema melancholisch stimmte. »Nein, so ist es nicht.« Noch nie hatte ich mir gewünscht, Colin würde bald fertig sein. Keine Sekunde lang.
»Hach ja. Schön.« Gianna drückte die Hände in ihr Kreuz und setzte sich wieder auf den Toilettendeckel. »Mein Ex war so einer, der nicht fertig wurde. Grässlich. Nikotinbedingte Impotenz. Er konnte immer und wollte immer, aber es dauerte ewig, bis das Blümchen mal begossen wurde, wenn du verstehst, was ich meine.« Gianna machte eine undefinierbare Handbewegung, doch ich hatte verstanden und wusste, dass ich mich vor weiteren delikaten Einzelheiten nur durch eine überstürzte Flucht aus dem Badezimmer bewahren konnte. »Er ruckelte da keuchend auf mir rum und ich konnte quasi dabei zusehen, wie die lichte Stelle auf seinem Hinterkopf kahler wurde … Schön war das nicht mehr. Ach, da war fast gar nichts schön. Selbst schuld, Signora Vespucci. Wo waren wir stehen geblieben? Ellie, warum weinst du denn schon wieder?«
»Ich … ich frag mich, warum ich nicht früher diese bekloppten Gespräche mit dir geführt habe, warum ich so dumm war … ich hab dich angefeindet, du gingst mir auf die Nerven. Ich hab den kompletten Sommer verschwendet, ausgerechnet ich. Ich liebe den Sommer doch so sehr! Jetzt ist er weg, ich habe ihn verschlafen, meinen ersten Sommer im Süden, genau wie in meinen Albträumen … Es ist September!«
»Und draußen herrschen 30 Grad im Schatten«, erwiderte Gianna und strich über meinen Kopf, bevor sie mich ungeschickt in den Arm nahm. Mein Kinn knallte gegen ihre Schläfe.
»Autsch«, murmelte ich in ihr seidiges Haar.
»Scusa, ich bin keine gute Trösterin, dafür ist mein Busen zu klein. Aber es kommen weitere Sommer, wir können wieder hierherfahren, wann immer du willst, ohne dass Angelo uns dazwischenfunkt! Das verspreche ich dir. Und wenn wir gerade dabei sind, uns selbst zu kasteien: Ich hab mich beschissen verhalten nach Tessas Tod, das weiß ich auch und ich bin nicht stolz drauf. Du hättest mich gebraucht. Erst bin ich durchgedreht wegen der Pest, total durchgedreht, ehrlich, und dann übertrug sich das Ganze auf dich. Ich weiß bis heute nicht genau, warum. Colin gegenüber verhalte ich mich nach wie vor ungerecht. Wir haben alle Fehler gemacht, Menschen sind nun mal fehlbar!«
»Geht’s dir denn jetzt wieder besser?« Edelmut hatte Gianna wahrlich nicht an den Tag gelegt, nachdem ich von Tessas Floh gebissen worden war, aber dass sie meinetwegen wochenlang unter Bauchschmerzen gelitten hatte, ja, sogar Angst vor mir gehabt hatte, traf mich härter. Ich wollte anderen Menschen keine Angst machen, erst recht nicht meinen Freunden.
»Viel besser. Ich hab einen gesegneten Appetit und mir war seit einer Woche nicht mehr übel. Ich hab sogar zugelegt. Ich passe in meine enge Hose nicht mehr rein … Paul meint, ich könne es gebrauchen.«
Gianna war immer noch gertenschlank, ich konnte keine zusätzlichen Rundungen erkennen, doch ihre kühnen Züge wirkten deutlich entspannter. Sie leuchtete von innen heraus und ihre Haare glänzten wie poliertes Edelholz, während meine sich schon wieder zu sträuben anfingen, obwohl wir sie gerade erst gezähmt hatten.
»Colin wird es verstehen, Elisa.« Sie reichte mir ein neues Kleenex, weil ich meines zu einem feuchten Ball zerknüllt hatte. Dann hielt sie einen Waschlappen unter den Hahn und tupfte ihn auf meine verheulten Augen. »Sprich mit ihm, bitte. Du hast eine Erklärung für dein Verhalten, eine triftige, außerdem darf jeder irren, das gehört dazu! Er ist ja auch nicht sauer auf mich, obwohl ich keine Erklärung für mein Verhalten habe außer diesem dummen Gefühl, dass ich mich von ihm fernhalten muss. Dabei habe ich ihn gern.«
»Ja, aber er hat mich geliebt … Ihr seid nur Freunde …«
»Ein Argument mehr, mit ihm zu reden. Soll ich dir Bescheid sagen, wenn er heute Abend an den Strand kommt? Überleg es dir.«
»Ja. Ja, sag mir Bescheid. Aber vorher sollte ich vielleicht … ähm … ich will mich wieder … also …« Ich deutete auf meinen Bademantel, obwohl ich nicht davon ausging, dass sich auch nur irgendetwas zwischen Colin und mir
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