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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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Kinder hatten was zu gucken an diesem Nachmittag. Ich war Mittelpunkt eines großen italienischen Panoptikums geworden, die unverhoffte Exotin in der Manege der Sommerfrische.
    »Hier, trink mal was, du alte Hexe.« Gianna setzte sich neben mich und reichte mir ein Glas Wasser, in der eine Brausetablette sprudelnd an die Oberfläche stieg. »Vitamine und Mineralien. Vielleicht besinnst du dich dann wieder auf ein paar Benimmregeln.«
    Ich nahm einen Schluck, ohne zu antworten. Das Prickeln auf der Zunge tat wohl. Ja, Magnesium war gut für die Nerven. Wir brauchten alle eine kräftige Dosis davon.
    »Grazie«, setzte ich nuschelnd hinterher. Mein Italienisch hörte sich schrecklich an.
    »Das Wasser aus der Leitung solltest du übrigens nicht trinken und auch keine Eiswürfel davon machen. Putz die Zähne am besten mit Trinkwasser aus der Flasche. Und, ach ja, tagsüber ist das Wasser oft abgestellt. Wir sollten morgens immer ein paar Eimer füllen, um ein bisschen was vorrätig zu haben. Für die Toiletten und so.«
    Dieser Urlaub entwickelte sich zu einem echten Kuraufenthalt. Wahrscheinlich warteten auch noch giftige Tiere und Krankheiten auf uns, die eigentlich als längst ausgerottet galten.
    »Außerdem solltet ihr die Matratzen prüfen, bevor ihr euch ins Bett legt. Nur sicherheitshalber. Das Haus war lange unbewohnt und es könnte sich ein bisschen … Ungeziefer eingenistet haben.«
    »Ungeziefer?«
    »Oh, nur winzige Skorpione oder eventuell Schlangen, aber richtig gefährlich sind hier im Süden lediglich die Schwarzen Witwen und die wurden ausnahmslos in Apulien gesichtet.« Und, nicht zu vergessen, in meinem westerwäldischen Dachzimmer. »Die Skorpione sind nicht allzu giftig; trotzdem will man ja nicht zusammen mit ihnen in einem Bett schlafen, oder?«
    Nein, das wollte man nicht. Ich fragte mich, was wir hier eigentlich den ganzen Tag machen sollten. Das Haus deckte die Grundbedürfnisse. Ein Gasherd und ein Kühlschrank für die Ernährung, Betten zum Schlafen und zwei pastellfarben gekachelte Bäder für die Körperpflege. Ansonsten gab es nichts. Keinen Fernseher, keinen Computer, keine Bücher, keine Musikanlage bis auf das winzige Radio in der Küche. In langen, durstigen Zügen leerte ich das Glas und stellte es neben mich auf die Stufe.
    »Nicht«, sagte Gianna und nahm es mir ab, um mir im Gegenzug ein Badetuch auf die Knie zu legen. »Das lockt die Termiten an.« Allerliebst. Termiten gehörten also auch zu unserer neuen Familie.
    Gianna brachte das Glas in die Küche und kehrte sofort wieder zu mir zurück. Die Sohlen ihrer Holzpantoletten klapperten auf den glatten Fliesen. »Was macht Tillmann?«
    Weil Gianna sich nicht mehr neben mich setzte, erhob ich mich stöhnend. Wenn es heute Abend nicht wenigstens zwei Grad kühler würde, würde ich diesen Tag nicht überstehen.
    »Fummelt an sich herum«, antwortete ich biestig. Gianna verkniff sich ein Grinsen.
    »Paul hat sich auch hingelegt. Schlafend hoffentlich. Dann gehen wir beiden Hübschen jetzt baden.«
    Ich fand es aberwitzig, so etwas Profanes zu tun, wie im Mittelmeer zu planschen, doch Gianna duldete keine Widerrede. Es geschah das, was sie gestern angedeutet hatte: Hier, im tiefen Süden, wirkte sie souveräner und selbstbewusster. Ich verblasste neben ihr, und das nicht nur wegen meiner bleichen Hautfarbe. Gianna fand sich blind zurecht, während mich jeder neue Sinneseindruck folterte. Es war so hell! Wir ließen das Törchen hinter uns ins Schloss fallen und nahmen einen schmalen Pfad, der zwischen zwei größeren und deutlich luxuriöseren Anwesen zum Strand führte. Eidechsen sonnten sich in den Mauerfugen und verschwanden lautlos, sobald sie unsere Schritte spürten.
    Als wir den sandigen Kies erreicht hatten, musste ich eine Pause einlegen. Mir ging die Luft aus. Schwer atmend blickte ich auf das Meer. Ich hatte nicht gewusst, dass es im Süden solch lang gestreckte, leere Strände gab. Ja, einige Menschen saßen in Grüppchen auf bunten Laken und hatten Sonnenschirme in den rauen Grund gesteckt, doch zwischen ihren Lagern blieb genug Platz, um ein Haus zu bauen, und abseits der Straße, aus der unsere winzige Siedlung bestand, war nichts zu sehen außer gelben, vertrockneten Ginsterbüschen und dem Grau des glühend heißen Kieses. Strandbars, Duschen und Umkleidekabinen? Fehlanzeige. Hier ging nur baden, wer in einer der beiden Häuserreihen wohnte und die Stranddusche wie Andrea in seinem Garten hatte.
    Gianna wartete,

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