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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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bis zu den Schultern wuchernden schwarzen Brusthaare ein, begleitet von einer neuerlichen Arie, die selbst das Kreischen der Zikaden aus dem Takt brachte. Doch schon nach einer kurzen Pause setzten sie ihr heilloses Sägen noch ehrgeiziger fort als zuvor.
    »Andrea ist ein Männername, Ellie!« Sie hatte recht. Andrea. Andrea Bocelli zum Beispiel. Der war mir bei meinen Recherchen schließlich andauernd begegnet. Mein Hirn war nur noch Matsch. »Und du brauchst nicht gleich in die Luft zu gehen, er ist meistens nur an den Wochenenden hier.«
    »Na, dann wollen wir mal hoffen, dass Tessa an einem Werktag angreift«, erwiderte ich spitz.
    »Ich dachte, sie kommt nicht, weil wir zu nah am Meer sind?« Gianna baute sich zu ihrer vollen Kriegerinnengröße auf. Ihre Augen waren nur noch Schlitze und sendeten einen Giftpfeil nach dem anderen zu mir aus.
    »Soll ich euch mit einem Wasserschlauch abspritzen? Oder kriegt ihr euch von alleine wieder ein?«, ging Paul dazwischen. Entschieden nahm er Gianna den Schlüsselbund aus der Hand, suchte den passenden heraus und schloss die Holztür auf. »Ihr regt euch jetzt ab, sonst sperr ich euch ins Auto. Leute, wir sind am Meer und wahrscheinlich die ersten Menschen auf dieser Welt, die sich darüber ärgern. Das ist was fürs Witzblatt.«
    Grummelnd gehorchten wir. Auch im Innern dieses Hauses stank es nach Mottenkugeln. Da in jedem Raum die Fensterläden geschlossen waren, mussten wir das Licht anknipsen, um etwas zu erkennen. Lampen gab es keine. Schmucklos hingen die Glühbirnen an Kabeln von der Decke. Wir hatten uns schnell einen Überblick verschafft, ohne ein Wort miteinander zu sprechen, und es brauchte auch keine Worte, um Tillmann und mir zu signalisieren, dass Gianna und Paul in dem einzigen richtigen Schlafzimmer des Hauses unterkommen würden, einem großen Raum mit altertümlichem Himmelbett, der zum Garten hinaus lag, direkt hinter dem Bad und der Küche, aus der eine Tür nach draußen führte.
    Ich inspizierte erst einmal den Außenbereich und fühlte mich ein wenig erleichtert. Wenigstens war der Garten groß genug, um Louis ein provisorisches Zuhause zu bieten. Den leeren Schuppen würden wir mit Stroh auslegen und zum Stall umbauen, auf dem quadratischen Rasenstück konnte er stehen und sich ein bisschen die Hufe vertreten. Denn das war Colins einzige Bedingung gewesen (abgesehen von meinem Versprechen, das ich weiterhin tapfer verdrängte): Louis musste mitkommen. Dieses Grundstück war zwar nicht für ein Pferd konzipiert, doch für Louis war es das Wichtigste, dass Colin in seiner Nähe war. Colin war sozusagen seine Herde.
    Es war das erste Mal seit Stunden, dass ich wieder bewusst an Colin dachte, und es deprimierte mich sofort. Wahrscheinlich würde er uns auslachen, wenn er dieses Haus sah. Oder es war ihm nur recht, dass wir solch miserable Voraussetzungen für unseren Plan gewählt hatten, denn so konnten wir gar nicht erst in die Versuchung geraten, ihn umzusetzen. Colin würde abreisen, ohne dass wir uns wieder nahegekommen waren. Mein Seufzen ging in dem Brüllen der Zikaden unter. Colin passte nicht hierher, noch weniger als ich selbst. Dabei sehnte ich mich nach ihm; seit gestern mehr denn je. In seiner Gegenwart wurden meine Gefühle nur selten zu meinem eigenen Feind. Vorausgesetzt, er raubte gerade keine Erinnerungen von mir und wir hatten keinen Kampf gegen einen Wandelgänger zu bestehen.
    Aber Colin war nicht da und auch ich musste mir jetzt einen Schlafplatz suchen. Ohne nachzudenken, nahm ich die Treppe, die Tillmann vorhin zielsicher hinaufgestapft war, und erreichte einen ausgebauten Speicher mit Schrägen bis zum Boden, an den sich ein kleiner Balkon und ein komplett ausgestattetes Bad anschlossen. Zwei Klappbetten standen nebeneinander und warteten darauf, bezogen zu werden. Die Hitze staute sich, doch dieser Dachboden fühlte sich an wie ein eigenes Reich und war wie geschaffen für uns beide.
    »He, was machst du da?«, fragte Tillmann, der gerade mit auffälliger Behutsamkeit seinen Koffer auf sein Bett hievte. Vielleicht hatte er ja eine Liebesbeziehung mit seiner Schokolade angefangen. Sie würde unter seinen Händen zerfließen, dachte ich spöttisch.
    »Ich leg mich hin. Darf ich das etwa nicht?«
    »Schon. Aber auf dein Bett.«
    »Das ist mein Bett«, sagte ich und stopfte das weiche Kopfkissen unter meinen Nacken, eine Bewegung, die von Neuem den Schweiß aus meinen Schläfen sickern ließ.
    »Irrtum. Das ist mein Bett. Und

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