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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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und schaute bewundernd zu ihm auf, Schnitt auf Louis’ zerstörten Kopf, seine Augen im Todeskampf, sein Maul geöffnet, weil er wieherte, ein letztes Mal, hören konnte man ihn nicht, da die Musik alles übertönte. Lacrimosa … dies illa … qua resurget ex favilla … iudicandus homo reus. Tränenreich, jener Tag, an dem der Mensch als Angeklagter aus der Glut aufersteht. Nur ich hatte noch die Macht, mich darüber zu erheben.
    »Was habt ihr getan?«, rief Colin. Seine Stimme brach.
    »Ach, ich konnte ihn noch nie leiden. Du hast ihn mir immer vorgezogen. Ich wollte ihn loswerden. Er hat mich gestört. Ich wollte dich für mich allein.«
    Ich schritt die Treppe hinunter, im Takt zu den wechselnden Bildern von Louis’ Todeskampf, unterbrochen nur von Angelo und mir. Nahaufnahme unserer Hände, deren Finger ineinander verschlungen auf dem Sand lagen, dann Close-up auf unsere Lippen, wie sie sich näherten, nur noch wenige Millimeter zwischen uns. Mein nackter Rücken, bedeckt von meinem langen, lockigen Schlangenhaar, sein Arm um meine Hüfte …
    »Natürlich habe ich mit Angelo geschlafen, was denkst du denn?« Ich lachte hämisch auf. »Wie hätte ich es nicht tun können? Er ist schön und satt, ganz im Gegensatz zu dir. Sei nicht so naiv, Colin!«
    Jetzt war ich unten angekommen, stand ihm gegenüber und hob langsam den Dolch. Ich hob ihn nur, mehr nicht, und trat vorsichtig einen Schritt rückwärts, Angelos strahlende Augen auf meinem Gesicht und meinem weißen Kleid. Ich war Teil der Schatten geworden, gehörte dazu, und er glaubte mir alles. Er glaubte alles.
    Mit dem gereckten Dolch, dessen Spitze auf seine Brust zielte, lockte ich ihn rückwärts in das letzte, das einzig schöne Zimmer des Hauses, wo ich das Himmelbett für uns hergerichtet hatte, schneeweiße Laken, schneeweiße Kissen, schneeweißer Baldachin; nur so blieben die Schatten bei uns. Wie im Tanz drehten wir uns um uns selbst. Er würde mich sehen, wenn er starb, mich und Angelo, vereint in unserem Kuss. Louis starb bereits. Seine Hufe zuckten nur noch im Reflex, sein Kopf lag in seinem eigenen Blut, das sich immer weiter ausbreitete und zu Angelos Pupillen wurde, übergroß, ein schwarzes Nichts …
    Colin sank auf das Bett, das Gesicht dicht vor mir, seine Augen glühend vor Schmerz und Hass, sein Mund nur noch ein Strich. Ich holte weit aus und merkte bereits im Schwung, dass ich es nicht tun konnte, nein, ich konnte es nicht tun, es ging nicht, ich würde die Kraft nicht aufbringen, sie würde mich verlassen, jetzt, im entscheidenden Moment, würde sie mich verlassen … Ich wollte den Dolch wieder sinken lassen, als Colin plötzlich seine Hände hob und meine packte, um sie zu sich zu ziehen, zusammen mit dem Dolch, direkt an seine Brust, die gellend sang und flehte. Ich war zu schwach, um mich seiner Bewegung zu widersetzen, und spürte, wie seine Haut unter der scharfen Klinge nachgab, genau an der richtigen Stelle, zwischen zwei Rippen.
    »Nein!«, schrie ich, doch Colin war stärker. Das Metall durchbrach lautlos seine Brust und bohrte sich tief in sein Herz. »Nein, Colin, nicht! Das ist doch alles nur ein Film! Wir haben Louis nicht getötet, das könnte ich niemals tun, niemals! Er lebt! Er lebt, Tillmann ist bei ihm und ich habe auch nicht Angelo geküsst, das waren Montagen, sonst nichts, Zusammenschnitte, es waren nicht mal meine Lippen, hast du das nicht gemerkt? Es war doch nur ein Film! Oh Gott, Colin, nein … das war doch alles nicht echt …«
    Die Musik verklang und die Schatten an den Wänden lösten sich auf. Zu spät. Zu spät … Brüllend vor Anstrengung zog ich das Messer aus seiner Brust. Ich schaffte es erst beim zweiten Anlauf, so fest steckte es in seinem Körper. Ich warf es zur Seite, um mit fliegenden Fingern das zerrissene Hemd von seinen Schultern zu zerren. Die Wunde blutete – sie blutete rot. Rot und warm, nicht bläulich. Das schrille Rauschen in seinem Körper wurde leiser und verlangsamte dabei beständig seinen Rhythmus.
    »Nein …« Ich fuhr mit den Fingerspitzen über die Wunde, als könne ich sie damit schließen. Aber das konnte ich nicht. Sie war immer da gewesen und nichts hatte sie heilen können.
    »Doch«, flüsterte er. »Nicht echt. Nur ein Film. Ein Schwindel. Wie ich. Genau wie ich. Deshalb konnte ich es nicht erkennen … Du warst gut, Ellie … richtig gut …«
    Das Rauschen drang beängstigend gedämpft aus seinem Körper. Entspannt ruhten seine Arme neben seinem Kopf, sein

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