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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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in Pearls Mann verliebt. Aber genug der Spekulationen. Am besten geben wir uns gleich einen Ruck und gehen Tante Thomasina hallo sagen.«
    Betty verzog das Gesicht und Sadie gab ihr innerlich recht. Auch ihr grauste vor dieser Begegnung. Sie hatte die Schwester ihrer Mutter seit Jahren nicht mehr gesehen, und sie nahm es Thomasina übel, dass diese vor langer Zeit den Kontakt zu Marguerite abgebrochen hatte. Nur zu ihrem Tod hatte sie eine Karte geschickt. Das Poet’s Cottage war seinerzeit an beide Töchter übergegangen, doch Thomasina hatte ihr Erbe abgelehnt. Marguerite hatte Thomasina ermuntert, mietfrei im Haus zu wohnen, doch diese weigerte sich mit der Behauptung, es sei dort zu feucht und kalt. Stattdessen hatte sie sich draußen im kleinen Bedienstetenhaus eingerichtet.
    Sadie und Betty spazierten durch den herrlich verwilderten hinteren Garten, an Eisenkraut und einem Walnussbaum vorbei, wobei sie immer wieder Spinnweben beiseitestreichen mussten. Die Luft war klar und frisch, und Sadie freute sich darauf, herauszufinden, ob sie einen grünen Daumen hatte.
    Vor der großen Steinskulptur eines Stachelranken-Mannes blieb Betty stehen. »Weißt du noch, wie ich von denen immer Alpträume bekommen habe, als ich noch klein war?« Sie tätschelte die riesigen, gekrümmten Finger der Statue. »Dad kam dann immer zu mir rein und hat mich in den Arm genommen, bis ich wieder eingeschlafen bin.« Traurigkeit flackerte in ihrem Gesicht auf und ein dunkler Dorn aus Schuldgefühlen versetzte Sadie einen Stich.
    »Die sehen aber auch ziemlich gruselig aus«, stimmte sie zu. »Ich habe von ihnen auch Alpträume bekommen. Mum hat mir dann erlaubt, das Licht anzulassen. Pearl hat mehreren Generationen ihrer Familie Alpträume beschert! Ob sie wohl deshalb zu ihrer Zeit nicht noch erfolgreicher war?«
    »Schau mal, da ist Harriet Huntsman!« Betty zeigte auf die riesige Spinne mit dem freundlichen Gesicht, die mit ihren acht steinernen Beinen die Rinde eines Baumes umklammerte.
    »Alle Figuren von Pearl sind hier versammelt«, erklärte Sadie. »Wenn das Haus in England stünde, wäre es sicher für die Öffentlichkeit zugänglich.«
    »Gute Idee, Mum, mit Thomasina im hinteren Teil des Gartens. Sie würde eine gute Haushexe abgeben.«
    »Schhh«, warnte Sadie, als sie das kleine ehemalige Steinhaus für die Dienstboten erreichten.
    Thomasina öffnete sofort die Tür, als hätte sie das Nahen ihrer Besucher schon durchs Fenster beobachtet. »Da seid ihr also«, meinte sie. »Nicht sonderlich überraschend.« Sie sah Betty an. »Sie ist gewachsen!«, stellte sie erstaunt fest, als hätte sie ein Baby erwartet und nicht eine Vierzehnjährige. »Sieht gut aus, nicht wahr? Hübsch und groß gewachsen – nicht wie du, Sadie. Und eine anständige Oberweite. Tee?«
    Sadie und Betty blinzelten, verdattert ob des barschen Auftretens der alten Frau. Thomasina war ihrer Mutter und Schwester so unähnlich, wie man nur sein konnte. Ihr weißes Haar war unschmeichelhaft kurz geschnitten, sie trug kein Make-up und aus ihrem Kinn sprossen Barthaare. Die schäbige graue Strickjacke und der rote Wollrock waren ganz offensichtlich wegen ihrer wärmenden Eigenschaften und nicht wegen ihres Schicks gewählt worden. An den Füßen trug sie Hausschuhe mit Hundegesichtern. Betty bemühte sich, die Schuhe nicht anzusehen, weil sie wusste – befürchtete –, sonst in hysterisches Kichern auszubrechen.
    »Warum warst du dir so sicher, dass wir kommen würden?«, fragte Sadie einige Minuten später, als sie gemeinsam in der winzigen Ziegelsteinküche saßen und unbehaglich an ihrem Tee nippten. Sadie verglich zwangsläufig das unordentliche, schäbige kleine Haus ihrer Tante mit Marguerites komfortabler Wohnung in Sydney, die mit Möbeln im provenzalischen Stil eingerichtet war.
    Thomasina machte eine ruckartige Kopfbewegung. »Das Haus hat es mir gesagt«, erwiderte sie ruhig.
    Aus Sorge, Betty könnte womöglich lachen, trat Sadie ihre Tochter unterm Tisch gegen das Schienbein.
    »Das mag vielleicht verrückt klingen, aber deshalb brauchst du mich nicht zu treten!« Thomasina funkelte Sadie an, die sofort errötete. »Das Haus teilt mir Dinge mit. Sobald ich gehört habe, dass Marguerite gestorben ist, wusste ich, dass ihr kommen würdet. Ich wette, sie hat dich am Sterbebett darum gebeten, nicht wahr? Genau wie Mum hatte sie eine reizende Art, dafür zu sorgen, dass die Leute das taten, was sie wollte. Marguerite wollte selbst nie hier wohnen.

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