Dornroeschengift
geleckt, nein, nur ein IDIOT würde das machen, schließlich wüsste je der, nur über Speichel könne man die DNA feststellen. Die Mädchen steigerten sich in eine hysterische Trauer und sprachen über Lisa wie von einer Heiligen. Ihr wunderschönes Haar, wie nett sie immer zu allen gewesen sei, wie intelligent sie war.
Jamaica hatte recht: Es war die pure Heuchelei. Noch schlimmer wurde es, als durchsickerte, mein Vater sei an den Tatort gerufen worden. Unbekannte Mitschüler, die mich nie eines Blickes gewürdigt hatten, bombardierten mich mit E-Mails und Nachrichten, als stünde ich mit meinem Vater in stän digem Telefonkontakt und er würde mir brühwarm alle grausa men Details berichten. Auch Jamaicas E-Mails blinkten aufgeregt. Zahlreiche Fragezei chen umgaben ihren Text, ganz abgesehen von den Smileys mit diesen entsetzten Grimassen, die aussahen, als explodierten sie vor Neugierde. Irgendwann schaltete ich den Computer aus, zog sogar zur Si cherheit den Stecker heraus. Erschöpft warf ich mich aufs Bett. Mir war heiß und mein Kopf schmerzte. Der Schweiß trat mir aus den Poren. Ich schob es auf die Erkältung.
An diesem Tag kehrte mein Vater erst spät am Abend zurück. Die Räder seines Wagens knirschten laut auf dem Kies vor dem Haus. Ich schlich ins Treppenhaus, hörte ihn seufzen und beob achtete, wie er seinen Arztkoffer auf die Kommode im Flur stellte. Dann ging er mit schweren Schritten ins Wohnzimmer, wo meine Mutter vor dem Fernseher saß. Tom hatte nach dem Abendessen noch einen Spaziergang machen wollen. Die tiefe Stimme meines Vaters drang bis zu mir hoch: »Nein, ich kann nichts essen.« Meine Mutter erwiderte etwas, das ich nicht verstand. Also schlich ich zur untersten Treppenstufe, um besser hören zu können. Plötzlich blitzte in mir die unsinnige Hoffnung auf, dass alles nur ein schrecklicher Irrtum sein könnte. Ja, ich wünschte es mir, hoffte verzweifelt, das Ganze sei nur ein Gerücht. Schließ lich wusste ich es bisher nur von Tom. Und er kannte Lisa ja gar nicht. Er irrte sich vielleicht und es war jemand anders, den e r gefunden hatte. Eine Fremde, die mich und uns alle hier nicht s anging. Aber nicht Lisa ! Doch einen Moment später wurde meine Hoffnung endgülti g zerstört . »Ja«, hörte ich die erschöpfte Stimme meines Vaters. »Lisa is t tot. Bereits seit vorgestern Nacht. Wir müssen die Obduktio n abwarten, aber ich vermute ein Kreislaufversagen. Sie war nu r leicht bekleidet und barfuß. Es war kalt in dieser Nacht. « Eine Zeit lang herrschte Ruhe, bis mein Vater bemerkte: »E s könnte auch Sofie sein. « Nein, dachte ich erschrocken, mir würde so etwas nie passie ren. Ich würde nie mit einem Fremden mitgehen . Aber wenn es kein Fremder war, schoss es mir durch den Kopf . »Das Schlimmste ist«, fuhr er fort, »jeder hier im Ort kommt al s Täter infrage. « »Wir müssen auf Sofie aufpassen.« Jetzt weinte Mam. »Ich wür de es nicht ertragen, wenn ich sie auch noch verliere. « Mehr wollte ich nicht hören . Es war zu schrecklich . Ich sprang auf, rannte hoch in mein Zimmer und warf die Tü r hinter mir zu . Mike, schluchzte ich leise in mein Kissen, wo bist du ? Wie ich ihn vermisste ! Gerade jetzt ! Ich zog die Schublade auf, riss den Schlafanzug heraus. Das Ta gebuch fiel zu Boden .
Brisbane, Mik e Night on January 1st, 200 7 Stimmung: Happy New Year ! Zitat des Tages: Play hard, die young !
My sister in heart, hier kann man die langen Unterhosen in der Silvesternacht vergessen und statt Glühwein gibt’s gekühlte Cocktails, denn es ist Hochsommer! Verlockend, nicht wahr? Während bei euch die Vorbereitungen für die Silvesterparty noch im vollen Gange sind, haben wir schon lange auf das neue Jahr angestoßen. Tom und ich waren auf einer Fete von Freunden. Freunde? Ja – das geht hier ganz schnell. Mit Tom verstehe ich mich immer besser. Er ist ein guter Zuhörer und interessiert sich sehr für Deutschland. Nicht nur er. Hier wollen immer alle alles über den Krieg wissen, als sei ich selbst dabei gewesen. Da bin ich froh über Opas Geschichten. Habe Toms Freunden von der alten Eiche erzählt, in deren Stamm Opa mit vierzehn Jahren das Datum der Flucht und seinen Namen ritzte. Und natürlich vom Familiensilber, das er vor ihrer Flucht unter der alten Eiche vergraben hat. Vielleicht findest du den Schatz irgendwann und wirst reich! Sie finden das alle very spannend und gruselig. Vielleicht sollte ich doch nicht Arzt, sondern Schriftsteller werden? Was
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