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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kalman
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nur in den seltensten Fällen stand.
    Dorothees kühle Reserviertheit stand in krassem Gegensatz zu Mandys leidenschaftlichem Temperament. »Sie spricht geschliffene Dolche«, hatte einer ihrer Verehrer ernüchtert Shakespeare zitiert, nachdem Dorothee ihn mit einigen knappen Sätzen unmißverständlich abgewiesen hatte. Mandy dagegen, die sich zu ihrem eigenen Verdruß nur allzu häufig von ihren Gefühlen leiten ließ, schätzte diese Fähigkeit ihrer Freundin sehr, denn gerade deshalb führten die Gespräche mit ihr immer zu einer echten Lösung.

2
    Wer a sagt, muß nicht b sagen.
    Er kann auch erkennen,
    daß a falsch war.
    BERTOLT BRECHT
     
    Als Mandy weit nach Mitternacht nach Hause kam, war die Wohnung kalt und unaufgeräumt. Auf dem Badezimmerboden lagen schmutzige Handtücher, und in der Küche türmte sich das Geschirr. Und wo steckte eigentlich Edward? Wahrscheinlich trieb er sich mit Freunden im »P 1« herum und spendierte aufgetakelten Blondinen klebrige Cocktails.
    Unzufrieden mit sich und ihrem augenblicklichen Leben, strich Mandy durch die Wohnung. Im Vorübergehen hob sie eine Wollsocke vom Boden auf und stopfte die gebrauchten Geschirrtücher in den Wäschekorb. Sie rückte das Familienfoto auf dem Nachttisch gerade und polierte mit dem Zipfel ihres Ärmels einen Fleck von der Glasplatte.
    Als sie sich der Sinnlosigkeit ihres Handelns, das nur dazu diente, von ihren Problemen abzulenken, bewußt wurde, ließ sie sich traurig auf das gelb-weiße Sofa im Wohnzimmer sinken und stützte den Kopf in die Hände. Dorothee hatte recht. Die Beziehung mit Edward führte ins Nichts. Fast unmerklich hatte sein Interesse an ihr nachgelassen, und auf zärtliche Annäherungen reagierte er zunehmend gereizt und abweisend. Sie wiederum hatte sich wie ein kleinliches Biest benommen: Wenn er sie nicht liebte, dann liebte sie ihn eben auch nicht.
    Widerstrebend gestand sie sich ein, daß sie es fairerweise akzeptieren mußte, wenn Edwards Wünsche sich verändert hatten. Während sie sich nach Familienleben sehnte, suchte er noch immer nach Freiheit, was ihrer Meinung nach nur eine poetische Umschreibung für Feigheit war. Und je stärker sie seine Nähe suchte, desto mehr ging er auf Distanz.
    War Edward überhaupt der Richtige? Hatte sie ihn in ihrer Verliebtheit nicht allzusehr glorifiziert? Die Stimme der Vernunft meldete sich, und Mandy erinnerte sich daran, was Dorothee heute abend gesagt hatte.
    »Mit Edward wärst du doch langfristig nicht glücklich geworden«, hatte sie in ihrer unumwundenen Art gemeint. »Nie hat er versucht, dich zu fördern. Im Gegenteil, er hatte nichts Besseres zu tun, als pausenlos an dir herumzumäkeln. Er konnte es doch nie wirklich ertragen, daß du eine intelligente und attraktive Frau bist. Warum, glaubst du, sucht er gelegentlichen Trost bei niedlichen Weibchen mit Spatzenhirn? Weil sein Ego da nichts zu befürchten hat.«
    Mandy mußte ihrer Freundin zwar zustimmen, aber die Aussicht auf die Einsamkeit zukünftiger Tage hatte sie sofort aufbegehren lassen:
    »Mir graut vor der leeren Wohnung. Vor den Tütensuppen und den Single-Menüs. Und wenn ich abends nach Hause komme, begrüßt mich allerhöchstens Tante Depressiva auf dem Sofa und in meinem Bett liegt Onkel Frust.«
    »Feigling«, war Dorothees einzige Reaktion gewesen.
    Wie ein Häufchen Elend saß Mandy auf ihrer Couch. Die Tränen stiegen in ihr hoch und liefen ihr schließlich übers Gesicht. Es war eine Mischung aus Wut und Trauer – und die Erkenntnis, daß sie tatsächlich ein Feigling war. Schließlich war sie es, die an Edward festhielt, obwohl er ihr doch deutlich zu verstehen gab, daß seine Bindungsscheu wesentlich größer war als seine Liebe zu ihr.
    Dabei wollte er sie sicher nicht absichtlich verletzen – vielmehr schrieb sie sein Verhalten einer gewissen Hilflosigkeit zu. Dennoch hatte sie immer wieder seine Kränkungen ertragen müssen.
    Es schmerzte, sich das einzugestehen, gleichzeitig hatte diese Einsicht etwas Heilsames: Sie mußte sich endlich entscheiden. Diese frostige Einsamkeit, die einem gerade durch vermeintliche Zweisamkeit um so bewußter wurde: sie konnte sie nicht mehr ertragen.
    Mandy lief ins Bad und klatschte sich minutenlang eiskaltes Wasser ins Gesicht. Dann fuhr sie sich wild mit der Bürste durch die lange Mähne und nahm mit Verwunderung wahr, wie sich ihr Spiegelbild allmählich in Penthesilea, die Amazonenkönigin, verwandelte. Mandy zwinkerte verblüfft, doch Penthesilea

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