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Dornröschens Bestrafung

Dornröschens Bestrafung

Titel: Dornröschens Bestrafung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Roquelaure
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meine Jahre im Dorf zu verbringen!“, sagte sie. „Tristan, hältst du mich
für schrecklich genug, dass ich das tun möchte? Ich würde eher davonlaufen, als
zurück auf das Schloss zu gehen.“
    „Man könnte dich dem
Hauptmann und deiner Herrin weg nehmen, wenn du davonläufst“, entgegnete er. „Und
du könntest verkauft werden an irgendjemand anderen.“
    „Das macht nichts“, sagte
sie. „Eigentlich sind es nicht Herr und Herrin, die mich in Harmonie mit allem
bringen, so wie du es ausgedrückt hast. Allein die Härte ist es, die Kälte und
die Unerbittlichkeit. Ich wollte unterworfen werden. Ich verehre den Hauptmann,
und ich verehre die Herrin, doch in dem Dorf gibt es vielleicht noch härtere
Herren und Herrinnen.“
    „Du überraschst mich“,
sagte er und bot ihr erneut Wein an. „Ich habe mich so sehr in Nicolas verliebt,
dass ich keinerlei Widerstand gegen ihn aufbringen kann.“
    Dann erzählte Tristan all
das, was ihm widerfahren war, und wie er und Nicolas sich geliebt und in den
Bergen miteinander geredet hatten.
    „Heute Mittag wurde ich zum
zweiten Mal auf den öffentlichen Drehtisch gebracht!“, sagte er. „Die Angst
hatte mich nicht verlassen. Es war noch schlimmer, als man mich die Stufen
hochjagte, denn ich wusste, was mich erwartete. Ich sah den Marktplatz viel
klarer unter dem grellen Licht der Sonne als zuvor im Fackellicht. Ich will
damit nicht sagen, dass mir alles schöner erschien. Aber ich sah das große
Ganze, von dem ich ein Teil war, und unter der schmerzlichen Bestrafung brach
meine Seele auf. Nun ist mein ganzes Dasein - sei es auf dem Drehtisch, in dem
Pferdegeschirr oder in den Armen meines Herrn - ein flehentliches Bitten,
benutzt zu werden, so wie man die Wärme des Feuers benutzt. Der Wille meines
Herrn ist das wichtigste, und durch ihn werde ich all denen gegeben, die an
mich denken und mich begehren.“
    Dornröschen schwieg still
und schaute Tristan an.
    „Dann hast du deine Seele
hin gegeben!“, flüsterte sie. „Du hast sie deinem Herrn gegeben. Das habe ich
nicht getan, Tristan. Meine Seele ist noch immer mein, und sie ist das einzige,
was ein Sklave wirklich besitzt. Ich bin noch nicht bereit, sie her zugeben.
Ich gebe meinen ganzen Körper dem Hauptmann hin, den Soldaten, der Herrin -
doch in meiner Seele, glaube ich, gehöre ich niemandem. Ich verließ das Schloss,
ja, aber nicht um die Liebe zu finden. Ich ging, um weit härter herumgestoßen
und behandelt zu werden, von noch gefühlloseren und grausameren Herrinnen und
Herren.“
    „Und du bist gefühllos
ihnen gegenüber?“ fragte er.
    „Ich habe so viel und so
wenig für sie übrig, wie sie für mich“, erklärte Dornröschen nachdenklich. “Möglicherweise
ändert sich das mit der Zeit. Vielleicht ist es nur so, dass ich noch keinem
wie Nicolas, dem Chronisten, begegnet bin.“
    Dornröschen dachte an den
Kronprinzen. Sie hatte ihn nicht geliebt. Lady Juliana hatte sie geängstigt und
verstört. Der Hauptmann erregte, erschöpfte und überraschte sie. Ihre Herrin mochte
sie insgeheim. Aber das war das Äußerste. Sie liebte sie nicht. Das, und der
Ruhm und das Aufregende, zu einem großen Ganzen zu gehören, um Tristans Worte
zu benutzen – das bedeutete das Dorf für Dornröschen.
    „Wir sind zwei ganz verschiedene
Sklaven“, stellte sie fest und setzte sich auf. Sie nahm den Wein und trank
einen großen Schluck. „Und wir sind beide glücklich.“
    „Ich wünschte, ich könnte
dich verstehen!“ flüsterte Tristan. „Sehnst du dich denn nicht auch danach,
geliebt zu werden? Sehnst du dich nicht auch danach, dass sich Schmerz mit
Zärtlichkeit mischt?“
    „Du musst mich nicht
verstehen, Liebster. Und es gibt ja Zärtlichkeit.“ Sie schwieg für einen Augenblick
und versuchte sich die Zärtlichkeiten zwischen Tristan und Nicolas
vorzustellen.
    “Mein Herr wird mich zu
immer größeren Offenbarungen führen“, behauptete Tristan.
    “Und meine Bestimmung“,
antwortete sie, „wird auch ihre Erfüllung finden. Als ich heute den armen,
bestraften Prinz Laurent sah, beneidete ich ihn. Und er hatte keinen ihn
liebenden Herrn, der ihn führte.“
    Tristan schluckte und
starrte auf Dornröschen.
    „Du bist eine großartige
Sklavin“, sagte er. “Vielleicht weißt du mehr als ich.“
    „Nein, in mancher Hinsicht
bin ich ein einfacherer Sklave. Deine Bestimmung ist geprägt von größerem
Verzicht.“
    Sie stützte sich auf einen
Ellenbogen und küsste Tristan. Seine Lippen waren

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