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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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auszusteigen, und nahmen eine Leibesvisitation vor. Vogel war über den Anblick schockiert: Wilhelm Canaris, der Chef der deutschen Abwehr, stand mit erhobenen Händen da und ließ sich von einem SS-Mann abtasten, als sei er ein Betrunkener.
    Einer der Wächter verlangte Vogels Aktentasche, und er reichte sie ihm widerwillig. Sie enthielt die Fotos der alliierten Dokumente und die in aller Eile vorgenommene Analyse der Abwehr-Techniker in Berlin. Der SS-Mann fuhr mit seiner behandschuhten Hand in die Tasche, dann gab er sie Vogel zurück, beruhigt, da sie weder Waffen noch Sprengstoff enthielt.
    Vogel und Canaris gingen wortlos zu der Treppe, die hinab in den Bunker führte. Zwei der Fotos hatte Vogel in seinen Aktenschränken verschlossen und in Berlin zurückgelassen - die Fotos von ihrer Nachricht. Die Hand war ihre. Vogel erkannte sie an der gezackten Narbe an der Daumenwurzel. Er war sich unschlüssig. Sollte er ihrem Wunsch nachkommen und sie aus Großbritannien herausholen, oder sollte er sie weiterarbeiten lassen? Er ahnte, daß andere diese Entscheidung für ihn treffen würden.
    Ein weiterer SS-Mann wartete oben an der Treppe, nur für den Fall, daß Besucher des Führers sich bei dem kurzen Gang über das Gelände irgendwie mit Waffen versehen hatten.
    Canaris und Vogel blieben stehen und ließen sich abermals durchsuchen.
    Canaris sah Vogel an und sagte: »Willkommen im Lager Paranoia.«
    Vogel und Canaris waren die ersten. »Rauchen Sie jetzt, bevor der Hühnerfarmer kommt«, sagte Canaris. Vogel zuckte bei der Bemerkung zusammen. Der Raum war sicherlich mit versteckten Mikrofonen gespickt. Er blätterte in seinen Unterlagen und widerstand dem Verlangen nach einer Zigarette.
    Vogel sah zu, wie die mächtigsten Männer des Dritten Reiches nacheinander hereinkamen: Reichsführer SS Heinrich Himmler, Brigadeführer Walter Schellenberg, Feldmarschall Gerd von Rundstedt, Feldmarschall Erwin Rommel und Hermann Göring.
    Alle standen auf, als Hitler mit zwanzigminütiger Verspätung den Raum betrat. Er trug schiefergraue Hosen und einen schwarzen Uniformrock. Er blieb stehen, nachdem alle anderen wieder Platz genommen hatten. Vogel betrachtete ihn fasziniert.
    Sein Haar war ergraut, seine Haut bleich, seine Augen gerötet.
    Die dunklen Ränder unter den Augen waren so ausgeprägt, daß sie wie blaue Flecke aussahen. Und doch ging von diesem Mann eine einschüchternde Kraft aus. Zwei Stunden lang beherrschte er bei der Besprechung über die Vorbereitungen auf die Invasion die anderen Männer im Raum, sondierte die Lage, ließ sich berichten und verwarf Beiträge oder Meinungen, die er für irrelevant hielt. Vogel erkannte, daß Hitler über die Aufstellung seiner Truppen im Westen ebensoviel wußte wie seine höchsten Offiziere, wenn nicht sogar mehr. Sein Interesse an Details war erstaunlich. So wollte er wissen, warum an der Straße von Dover drei Flakbatterien weniger standen als in der Vorwoche.
    Und er fragte, welche Sorte von Beton für die Befestigungen am Atlantikwall verwendet und in welcher Dicke er gegossen wurde.
    Gegen Ende der Besprechung wandte er sich an Canaris und sagte: »So, wie ich höre, hat die Abwehr eine weitere Entdeckung gemacht, die Auskunft über die Absichten des Feindes geben könnte.«
    »In der Tat, mein Führer. Die Operation wurde von Kapitän Vogel geplant und durchgeführt. Ich schlage vor, er berichtet selbst über seine Erkenntnisse.«
    »Schön«, sagte Hitler. »Kapitän Vogel?«

    Vogel blieb sitzen. »Mein Führer, vor zwei Tagen hat einer unserer Londoner Agenten ein Dokument in seinen Besitz gebracht. Wie Sie wissen, haben wir herausgefunden, daß der Feind eine Operation namens Mulberry plant. Mit Hilfe dieser neuen Dokumente sind wir der Lösung der Frage näher gekommen, worum es bei Mulberry geht.«
    »Näher?« sagte Hitler und warf den Kopf zurück. »Sie stellen also nach wie vor nur Vermutungen an, Kapitän?«
    »Wenn ich fortfahren dürfte, mein Führer.«
    »Bitte, aber meine Geduld ist heute abend nicht unbegrenzt.«
    »Wir wissen jetzt viel mehr über die riesigen Objekte aus Beton und Stahl, die an mehreren Stellen in England gebaut werden. Zum Beispiel wissen wir, daß sie den Decknamen Phönix tragen. Wir wissen ferner, daß sie bei der Invasion über den Ärmelkanal geschleppt und vor der französischen Küste versenkt werden sollen.«
    »Versenkt? Zu welchem Zweck, Kapitän Vogel?«
    »Unsere Techniker haben die in London gestohlenen Dokumente in den

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