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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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zusammen mit einer Wollhose und einem dicken Pullover in seinem Zimmer für ihn bereitgelegt hatte.
    Eine Zeitlang folgten sie schweigend dem Weg, wie alte Schulkameraden, die nach einem üppigen Frühstück einen Verdauungsspaziergang unternahmen. Die Kälte bohrte sich wie ein Nagel in Vicarys Knie. Er ging langsam, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und hielt den Kopf gesenkt, als suche er nach einem verlorenen Gegenstand. Dann traten die Bäume zurück, und die Themse tauchte vor ihnen auf. Am Ufer standen zwei alte Holzbänke. Harry setzte sich auf die eine, Vicary und Jordan nahmen auf der anderen Platz. Boothby blieb stehen.
    Vicary erklärte Jordan, was sie von ihm wollten. Jordan hörte zu, ohne ihn anzusehen. Er saß reglos da, die Hände immer noch in den Taschen, die Beine ausgestreckt und den Blick starr auf irgendeinen Punkt im Fluß gerichtet. Als Vicary fertig war, sagte Jordan: »Denken Sie sich etwas anderes aus. Ich bin der Sache nicht gewachsen. Es wäre idiotisch von Ihnen, mich dafür zu nehmen.«
    »Glauben Sie mir, Commander Jordan, wenn es irgendeine andere Möglichkeit gäbe, den entstandenen Schaden wieder gutzumachen, würde ich sie vorziehen. Aber es gibt keine. Sie müssen es tun. Das sind Sie uns schuldig. Sie sind es den Männern schuldig, die bei der Erstürmung der Strande in der Normandie ihr Leben riskieren werden.« Er machte eine Pause und folgte Jordans Blick aufs Wasser. »Und Sie sind es sich selber schuldig, Commander Jordan. Sie haben einen schweren Fehler gemacht. Jetzt müssen Sie uns helfen, den Schaden zu reparieren.«
    »Soll das ein Versuch sein, mich aufzumuntern?«

    »Nein, ich will Sie nicht aufmuntern. Es ist die Wahrheit.«
    »Wie lange wird es dauern?«
    »So lange wie nötig.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Stimmt. Er kann sechs Tage dauern, aber auch sechs Monate. Wir wissen es einfach nicht. So etwas läßt sich nicht vorausberechnen. Aber ich werde die Sache so bald wie möglich beenden. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
    »Ich glaube, daß die Wahrheit in Ihrem Beruf nicht viel bedeutet, Mr. Vicary.«
    »Normalerweise nicht. Aber in diesem Fall schon.«
    »Was wird aus meiner Arbeit für die Operation Mulberry?«
    »Sie werden pro forma so tun, als arbeiteten Sie noch im Team mit, aber in Wahrheit hören Sie auf.« Vicary stand auf.
    »Wir sollten jetzt zum Haus zurückgehen, Commander Jordan. Sie müssen einige Papiere unterschreiben, bevor wir gehen.«
    »Was für Papiere?«
    »Nur Papiere, in denen Sie sich verpflichten, niemals ein Wort über die Angelegenheit verlauten zu lassen.«
    Jordan wandte sich vom Fluß ab und sah Vicary an.
    »Glauben Sie mir, da können Sie unbesorgt sein.«

38
    Rastenburg, Deutschland

    Kurt Vogel zupfte am Kragen seiner Kriegsmarineuniform. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie zum letzten Mal getragen hatte. Vor dem Krieg hatte sie ihm gepaßt, aber wie fast jeder hatte Vogel seitdem abgenommen, und jetzt hing der Uniformrock an ihm wie ein Sträflingskittel.
    Er war übernervös. Er war noch nie mit dem Führer zusammengekommen, ja er war noch nie in einem Raum mit dem Mann gewesen. Er persönlich hielt Hitler für einen Wahnsinnigen und Unhold, der Deutschland an den Rand der Katastrophe geführt hatte. Doch aus unerklärlichen Gründen war er begierig darauf, ihn kennenzulernen und einen guten Eindruck auf ihn zu machen. Er wünschte, er hätte ein gewinnenderes Äußeres. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen, um seine Nerven zu beruhigen. Schon auf dem Flug von Berlin hierher hatte er ununterbrochen geraucht, und er rauchte auch jetzt im Wagen. Schließlich flehte ihn Canaris an, mit Rücksicht auf die beiden Dackel seinen Glimmstengel auszumachen. Die Hunde lagen wie fette Würste zu Vogels Füßen und beäugten ihn mißtrauisch. Vogel öffnete das Fenster einen Spalt und warf die Zigarette in den wirbelnden Schnee.
    Der Mercedes hielt an der äußeren Wache der Wolfsschanze.
    Vier SS-Männer traten an den Wagen, öffneten die Motorhaube und den Kofferraum und suchten mit Spiegeln den Unterboden ab. Die SS-Männer winkten sie durch, und sie legten den letzten Dreiviertelkilometer bis zum Führerhauptquartier zurück. Es war später Nachmittag, doch der Waldboden flimmerte im weißen Licht der Bogenlampen. Wächter mit Schäferhunden patrouillierten auf den Wegen.
    Wieder hielten sie, und wieder traten SS-Männer vor den Wagen.
    Diesmal überprüften sie die Insassen. Sie befahlen ihnen

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