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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Morsesignale aus ganz Nordeuropa aufzufangen.
    Sie stellte ihren Empfänger auf die Frequenzen ein, die sie in dieser Nacht zu überwachen hatte, und lauschte.
    Die deutschen Funker waren die schnellsten der Welt.
    Charlotte konnte viele sofort an ihrer ›Handschrift‹ identifizieren - der Morsestil jedes Funkers war so individuell wie Fingerabdrücke. Sie und ihre Kolleginnen hatten den Funkern Spitznamen wie Wagner, Beethoven oder Zeppelin gegeben.
    Charlotte mußte heute nicht lange warten, bis sich etwas regte.
    Ein paar Minuten nach Mitternacht hörte sie das erste Signal in einer Handschrift, die sie nicht kannte. Die Morsezeichen kamen langsam und unsicher, und der Rhythmus war schlecht.
    Ein Amateur, dachte sie, jemand, der sein Funkgerät nur selten benutzt. Mit Sicherheit keiner der Profis vom Hauptquartier des BdU, des Befehlshabers der U-Boote. Schnell machte sie eine Aufnahme des Funkspruchs auf dem Oszillographen - einem Apparat, der eine Art Fingerabdruck des Signals aufzeichnete, den man Tina nannte - und kritzelte die Nachricht fieberhaft auf ein Blatt Papier. Als der Amateur fertig war, hörte Charlotte weitere Morsezeichen auf derselben Frequenz. Dies war kein Amateur. Charlotte und ihre Kolleginnen hatten ihn schon öfter gehört und ihm den Spitznamen Fritz verpaßt. Es war Funker auf einem U-Boot, das in der Nordsee kreuzte. Hastig notierte Charlotte auch seine Nachricht.
    Dem Funkspruch von Fritz folgte eine weitere holperige Zeichenfolge des Amateurs, dann trat Funkstille ein. Charlotte nahm den Kopfhörer ab, riß den Ausdruck des Oszillographen ab und marschierte quer durch den Raum. Normalerweise gab sie die Abschriften der Funksprüche einfach an den Motorradkurier, der sie zur Entschlüsselung nach Bletchley Park brachte. Doch an diesem Nachrichtenaustausch war etwas Besonderes, das spürte sie an den Handschriften der beteiligten Funker. Sie ahnte, was es war, aber sie würde ihre Sache verdammt überzeugend vortragen müssen. Sie meldete sich beim Leiter der Nachtschicht, einem blassen, erschöpft wirkenden Mann namens Lowe, und warf die Abschriften und den Ausdruck des Oszillographen auf seinen Schreibtisch. Er sah mit spöttischer Miene zu ihr auf.
    »Ich kann natürlich völlig falsch liegen, Sir«, sagte Charlotte.
    »Aber ich glaube, ich habe gerade den Funkverkehr zwischen einem deutschen Spion und einem vor der Küste liegenden U-Boot mitgehört.«

    Kapitänleutnant Max Hoffmann würde sich nie an den Gestank in einem U-Boot gewöhnen, das zu lange getaucht hatte. Es roch nach Schweiß, Urin, Diesel, Kartoffeln und Sperma. Diesmal war die Attacke auf seinen Geruchssinn so schlimm, daß er lieber im Sturm auf dem Kommandoturm Wache gestanden hätte, als im Boot zu bleiben.
    Auf der Brücke von U-5O9 stehend, spürte er unter seinen Füßen das Hämmern der Elektromotoren, die das Boot dreißig Kilometer vor der britischen Küste seine eintönigen Kreise ziehen ließen. Ein feiner Dunst hing im Boot und legte einen Kranz um jede Lampe. Alle Oberflächen fühlten sich kühl und naß an, wenn man sie berührte. Hoffmann stellte sich gern vor, die Feuchtigkeit sei Tau an einem Frühlingsmorgen, aber ein Blick auf die klaustrophobisch enge Welt, die er bewohnte, ernüchterte ihn sehr schnell.
    Es war ein langweiliger Auftrag, wochenlang vor der britischen Küste zu liegen und auf einen von Canaris' Spionen zu warten. Von der Besatzung kannte nur der Erste Offizier den wahren Zweck ihrer Mission. Aber auch die übrigen Männer ahnten wohl, warum sie nicht auf Patrouille waren. Und doch, es hätte schlimmer kommen können. Angesichts der gewaltigen Verluste der U-Bootwaffe - fast neunzig Prozent - konnten Hoffmann und seine Mannschaft von Glück sagen, daß sie so lange überlebt hatten.
    Der Erste Offizier erschien mit ernstem Gesicht auf der Brücke, ein Blatt Papier in der Hand. Bei seinem Anblick kam Hoffmann der deprimierende Gedanke, daß er selbst wohl genauso schlecht aussah - eingesunkene Augen und hohle Wangen, dazu die graue Blässe eines U-Bootfahrers und ein wilder Bart, denn das Trinkwasser war zu knapp, um es fürs Rasieren zu verschwenden.
    »Unser Mann in Großbritannien hat sich endlich gemeldet«, sagte der Erste Offizier. »Er möchte heute nacht die Heimreise antreten.«
    Hoffmann lächelte. Endlich! dachte er. Wir nehmen ihn auf und fahren zurück nach Frankreich, wo uns gutes Essen und frische Leintücher erwarten.
    »Wie ist das Wetter?« fragte er.
    »Nicht

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