Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
würde ich dich jetzt einladen, mich bei meinem morgendlichen Waldlauf zu begleiten. Aber leider darfst du dich noch nicht anstrengen.“ Er wandte sich zur Tür. „In 20 Minuten bin ich zurück. Vergiss nicht den Schutzzauber gegen Manipulation und Gedankenlesen!“
Nachdem Nymus die Tür unten ins Schloss hatte fallen hören, schlief er unversehens nochmal ein und erwachte erst wieder, als die Sonne ihn kitzelte. Vom Bett aus konnte er den Himmel sehen. Der zeigte sich blau, der Wind jedoch jagte ständig grauweiße Wolken vor sich her. In ein paar Stunden würde es sicherlich erneut regnen. Nymus lauschte. Es war still im Burgfried. Nur von unten drang das Knistern der Holzscheite herauf, die im Herd verbrannten. Vom Burgherrn war nichts zu vernehmen. Der war bestimmt längst in der Schule.
Nymus schmunzelte bei dem Gedanken, was seine Klassenkameraden wohl sagen würden, wenn sie über Poptlok das erführen, was er wusste. Doch Nymus würde es ihnen nicht verraten, wenn er in seine Klasse zurückkam. Es war klar, dass Poptlok dann wieder Herr Luktor sein musste und zu ihm gebührende Distanz zu halten hatte. Nymus seufzte, als er sich fragte, wann das wohl sein werde. Ob er überhaupt jemals wieder in seine Klasse zurückkehrte?
Schluss mit den schlimmen Gedanken! Nymus schlug die Bettdecke zurück. Zuerst war der Schutzzauber gegen Manipulation und Gedankenlesen dran. Dann wollte er duschen und sich frische Kleider anziehen.
Als er fertig war, sein Zimmer gelüftet und das Bett gemacht hatte, stieg er vorsichtig die Leiter hinunter in den Wohnraum. Auf dem großen Eichentisch fand er einen Zettel: „Hallo Nymus, misch dir aus den Samen und den Haferflocken ein Müsli. In der Thermoskanne ist Tee. Ich komme gegen zwei Uhr zurück. Vielleicht hast du Lust, das Buch anzuschauen und dir schon mal den einen oder anderen Zauber anzueignen. Du kannst aber auch ans Regal gehen und dich dort bedienen. Doch bring bitte nichts durcheinander. Viele Grüße Poptlok.“
Neben dem Zettel lag ein Buch mit dem Titel: „Basiswissen für Magier. Schutzzauber aller Art“. Ja, damit sollte er sich wirklich befassen. Und wo war das Regal? Nymus schaute sich um und entdeckte es zwischen Kommode und Fenster. Gestern war es ihm gar nicht aufgefallen, weil es anscheinend beschattet gewesen war. Das wollte er sich nachher mal genauer anschauen, wenn er mit dem Frühstück fertig war. Denn er spürte nun tatsächlich wieder Hunger.
Nachdem er gegessen und sein Geschirr abgespült hatte, steuerte er das Regal an. Doch sein Blick wurde von der Landschaft angezogen, die sich ihm soeben durch das Südfenster zeigte. Wie weit man von hier oben aus sehen konnte! Jenseits des Burgtors öffnete sich eine Gegend, die nur aus Bäumen aller Art zu bestehen schien. Ein Mischwald in allen Grüntönen, die man sich vorstellen konnte, erstreckte sich über die Hügel und die Täler. Und darüber spannte sich der weite Himmel, der sich gerade mit dunklen Wolken bezog. Vögel ließen sich vom Wind treiben. Fern am Horizont erkannte Nymus das Gebirge im Süden bläulich verschwommen, und Sehnsucht ergriff ihn, Sehnsucht nach Luft und Freiheit. Er wünschte sich, ein Vogel zu sein und hinfliegen zu können, wohin er wollte.
Als er einen Raben gleiten sah, drängte sich schlagartig wieder die Krähe auf der Fichte am Grab in seine Gedanken. Hatte sie wirklich geweint? Er spürte nochmal das seltsame Kribbeln in sich, als sie ihn angestarrt hatte, und er erblickte in seiner Erinnerung ihre schwarzen, runden Augen. Plötzlich veränderten die sich und wurden zu großen, grauen.
Nymus erschrak. Er erschrak vor seinem eigenen Wunsch, diese Person mit dem Zauber der Gedankenbotschaft zu rufen. Er sah sie deutlich vor sich, genau so wie in seinem letzten Traum, sah, wie sie sich zu ihm umwandte, sah die traurigen dunkelgrauen Augen auf sich gerichtet. Jetzt brauchte er nur noch den Sendezauber zu sprechen.
Sein Atem ging schneller und vor Erregung konnte er seine Hände nicht mehr ruhig halten.
Poptlok hatte ihn gestern noch ermahnt, nur Personen an sich heranzulassen, die er wirklich kannte. Aber kannte er diesen Menschen mit den dunkelgrauen Augen nicht auch? Er hatte mehrmals von ihm geträumt. Doch der Mann war ein Schwarzmagier. Durfte er da mit ihm in Kontakt treten? Nymus fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits fürchtete er sich, andererseits sehnte er sich danach, vor allem wenn dieser Mensch wirklich sein Vater sein sollte.
Endlich
Weitere Kostenlose Bücher