Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
die Tiefe führte. Schaudernd blickte er hinab. Schwarz. Alles war schwarz unten. Doch er musste wissen, wo er war, und zu welchem Geheimnis ihn dieser Gang führte. Er löste eins der Talglichter aus der Halterung von der Wand und umschloss fest dessen Griff. All seinen Mut nahm er zusammen, stieg hinunter und wanderte weiter durch den Felsen. Rechts und links taten sich kleine Höhlen auf, die von starken Metallgittern verschlossen waren. Auf einmal erkannte Nymus, dass sie Gefängniszellen waren, denn hinter einem hockte ein Mann, die Fäuste um zwei Stäbe geballt, und starrte ihn mit wildem Blick und knirschenden Zähnen an. Nymus hastete so schnell wie möglich an dieser Zelle vorbei. Aber jetzt hörte er das Stöhnen, Jammern und Weinen anderer Insassen. Nymus schnürte es die Kehle zu. Waren sie wirklich Verbrecher, die man wegsperren musste? Oder lagen sie hinter Gittern, weil sie jemandem in die Quere gekommen waren? Den Schwarzmagiern vielleicht? Nymus eilte weiter.
Auf einmal fand er sich vor der letzten Kerkerzelle wieder. Weiter hinten öffnete sich der Gang in einen großen Raum, der mit ausgedienten Gegenständen vollgestellt war, mit kaputten Stühlen, Schränken, Haushaltsgeräten, Gartenwerkzeug, und anderes mehr. Hinten rechts türmte sich Gesteinsschutt. Nymus warf einen Blick in das letzte Verlies und leuchtete hinein, weil er plötzlich das Gefühl hatte, dass dort drin etwas Bedeutsames eingeschlossen war. Er erkannte einen Mann, der mit dem Rücken zu ihm vor einer mit Stroh bedeckten Pritsche stand. Weil der sich eng in seinen schwarzen Umhang gewickelt hatte, sah Nymus, wie dünn er war. Die Kapuze war nicht über den Kopf gestülpt; daher konnte Nymus dessen dunkelbraune Haare erkennen. Sie waren kurz, aber nicht zu kurz geschnitten und auf der linken Hinterkopfseite, knapp über dem Haaransatz drehten sich die Haare in einem Wirbel nach links. Nymus erschrak. Sah er sich da selbst? Der Mann wandte den Kopf und schaute Nymus ins Gesicht. Er war der Berichterstatter. Seine dunkelgrauen Augen blickten traurig, ja verzweifelt und voller Sehnsucht.
Nymus Atem ging schneller. „Wer bist du?“, stieß er hervor.
Ein unsicheres Lächeln huschte über das blasse, melancholische Gesicht.
Nymus erwachte. Sein Herz raste. Wen hatte er da gesehen? Seinen Vater? Oder sich selbst in der Zukunft? Aber es gab Unterschiede: Der Mann hatte ein eher schmales Kinn gehabt, Nymus Kinn dagegen war breit. Auch waren die Lippen des Mannes schmaler gewesen. Und seine Haarfarbe war dunkler.
Der Morgen dämmerte bereits, und vielstimmiger Vogelgesang verkündete den beginnenden Tag. Aus Poptloks Zimmer drang ein Geräusch. Der hatte offenbar die Bettdecke zurückgeschlagen. Ein Knarzen verriet, dass er sich bewegte und vermutlich aufstand. Richtig. Schritte in weichen Filzpantoffeln bewegten sich zum Bad hin. Kurz darauf kehrten sie zurück und blieben an Nymus Tür stehen. Der wandte seinen Blick.
„ Bist du wach?“, flüsterte Poptlok.
„ Ja.“ Nymus setzte sich auf.
Poptlok kam herein. Er warf einen forschenden Blick auf Nymus. Eigentlich konnte er nicht viel sehen, denn das Licht des neuen Tages erhellte den Raum noch nicht besonders. Aber Poptlok schien das nichts auszumachen.
„Geht's dir gut?“, fragte er, um gleich darauf sachlich festzustellen: „Fieber scheinst du nicht mehr zu haben, aber der Zustand deines Halses hat sich eher verschlechtert als verbessert und außerdem wirkst du durcheinander und ziemlich aufgewühlt. Hast du was geträumt?“
„ Ja. Ich bin durch einen Felsen gegangen, in dem es viele Verliese gab.“
„ Das ist es aber nicht, was dich beunruhigt“, erkannte Poptlok.
Nymus rang mit sich. Doch er konnte nicht sagen, was er hätte sagen müssen, nämlich dass der letzte Gefangene die gleichen dunkelgrauen Augen mit ebenso markanten Augenbrauen wie er selbst hatte und auch den Wirbel am Hinterkopf, so wie er selbst, und dass dieser Mann ein Schwarzmagier war. Immerhin klammerte sich Nymus an die winzige Hoffnung, dass all seine Traumbilder Blödsinn wären, sein Vater mit dem Berichterstatter seines Traumes nichts zu tun hätte und in Wirklichkeit ein ganz anderer wäre.
Nymus' Blick wanderte unstet über die Bettdecke, wobei er seinen Kopf gequält hin- und herbewegte. Leise stieß er hervor: „Ich ... Ich kann nicht darüber reden.“
„ Schon gut.“ Poptloks Miene war ernst. „Ich will dich nicht pisacken.“ Dann lächelte er. „Wenn du gesund wärst,
Weitere Kostenlose Bücher