Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
Lachen
und mit dir die laue Mainacht durchwachen!
O dürfte ich schmecken den süßen Mund dein!
So flutete Sonne ins Herz mir herein.
O dürfte ich deine Hände ertasten,
sie streicheln und küssen, ohne zu hasten!
O dürfte ich fühlen dein pochendes Herz!
So würd' ich verlieren all drückenden Schmerz.
O könnte ich sein dein starker Mann!
Stattdessen steh' ich im Schreckensbann,
die zarten Gefühle wie abgeschossen,
die Tränen fest in der Brust eingeschlossen.
Wo liegt der Sinn noch in diesem Leben?
Nirgends mehr wird es Licht für mich geben.
So fern von dir und in Ketten gefangen
muss ich um dich, meine Liebste, noch bangen!
Du, meine Freundin, dich werde ich lieben,
wenn mich auch all' meine Feinde bekriegen.
Und leuchtet kein Stern mehr in finsterer Nacht,
so will ich beschwören der Liebe Macht!“
Es gab keinen, der nicht mehr oder weniger verstohlen die Tränen wegwischte oder schneuzte, sogar der Schwarzmagier, der Cordelia ins Einwohnermeldeamt gefolgt war.
Davon, dass sein Vater Liebesgedichte schrieb, hatte Nymus nichts geahnt. Er bewunderte ihn dafür. Auch ihn hatten die Verse ergriffen, obwohl Tarmak mit ihm schon über seine Beziehung zu Cordelia gesprochen hatte und über die entsetzliche Einsamkeit und Enge, die er im schwarzen Schloss empfunden hatte.
Cordelia war noch nicht fertig. Sie wandte sich dem Sarg zu und sagte zu Tarmaks vermeintlichem Leichnam: „Jetzt hat der Schrecken ein Ende. Mögest du nun Ruhe und Frieden finden. Ich habe dich immer geliebt und ich werde dich immer lieben. Der Tod ist kein Hindernis.“
Professor Rodubert dankte Cordelia, dass sie es mit diesem sehr privaten und persönlichen Gedicht den Teilnehmern ermöglicht habe, sie und Tarmak besser zu verstehen. Dann schloss er den Sarg und führte den Leichenzug zum Grab an.
Nymus staunte nicht schlecht, als er feststellte, dass es direkt neben Wolfhard Luktors Grab lag. Poptlok hatte auf diesem Vergissmeinnicht wachsen lassen. Die Schrift auf dem Grabstein wirkte seltsam verwittert.
Professor Rodubert sprach noch ein paar Worte am Grab. Nun verlief alles ähnlich wie auf Groß vaters Beerdigung: der Sarg wurde hinabgelassen, dann verabschiedeten sich die Leute einzeln von Tarmak, indem sie Erde auf den Sarg streuten. Cordelia und Nymus taten das als erste, wobei Nymus von vier Magiern des Ältestenrates eingerahmt wurde. Auch als er neben seiner Mutter Beileidsbezeugungen empfing, war er von ihnen umgeben und beschützt.
Nymus fühlte sich recht unwohl dabei, so viele Hände schütteln und so viele mitfühlende Worte anhören zu müssen, zumal er sich dabei verlogen vorkam. Schließlich lebte ja sein Vater.
Kommissar Reinwein schritt auf ihn zu. „Jetzt, da du deinen Vater gerade erst kennen gelernt hast, ist er dir schon wieder entzogen worden. Dieser Verlust tut mir sehr leid für dich, Nymus. Und was deine Sicherheit betrifft: Auch ich werde auf dich achtgeben, sobald du zurück bist“, versprach er. Er drückte Nymus' Hand und verließ dann mit seinen Begleitern den Friedhof.
Als Irmhild kondolierte, tat sie das sehr förmlich und sah an ihm vorbei. Ihre Wangen waren gerötet. Da wurde Nymus erst bewusst, dass er sie ziemlich beleidigt hatte, als er vorhin so unnah bar, ja ruppig ihr gegenüber gewesen war. Gerne hätte er sich bei ihr entschuldigt, doch er fand keine Worte, zumal Irmhild ihm keine Zeit ließ. Denn im nächsten Moment hatte sie sich zu ihren Eltern gesellt, die wieder, wie die anderen Hexen und Zauberer auch, vor dem Grab Stellung bezogen hatten. Sie wandte ihm ihren Rücken zu. Schuldbewusst und über sich selbst verärgert sah er zu ihr hinüber. Er nahm Zawarima nur am Rande wahr, die ihm als letzte gleich darauf ihre Hand reichte.
Die beiden Schwarzmagier hatten sich leise verzogen. Ein Schwarm Krähen flog über den Friedhof. Plötzlich trugen alle Hexen und Zauberer ihre Magierumhänge oder -mäntel und bildeten einen Kreis um das Grab, in den sie Nymus und seine Mutter miteinbezogen. Sie ließen ein Lied in einer alten Sprache erklingen, wobei sie einen Schreittanz vollführten. Nymus tanzte zwischen Herzelind und Gundekar, denen er seine Hände gereicht hatte. Er schaute unsicher in das Gesicht des großen Mannes hoch. Der sang ernsthaft und andächtig. Am Ende des Liedes sah er Nymus lächelnd an und drückte ihm fest die Hand. Herzelind auf der anderen Seite machte es ebenso. Nymus' Augen suchten verstohlen Irmhild, die auf Gundekars
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