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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Gegenstand akademischer Debatten. Sein Motorradsattel hatte ihn verweichlicht. Nach fünf Kilometern gelang es ihm, das Tier dazu zu überreden, von seinem fröhlichen Galopp abzulassen und stattdessen in einen etwas gemächlicheren Trab zu verfallen. Alte Frauen auf Fahrrädern mit riesigen Bündeln von Zitronengras überholten ihn. Die Reise dauerte neunzig Minuten und damit wenig länger, als wenn er und das Pony die Plätze getauscht hätten.

6
    VERBOTENE FRÜCHTE
    Mit schmerzenden Gliedern verließ Siri das einfache Häuschen seiner Schwägerin. Er war noch trauriger als bei seiner Ankunft. Alles an Wilaiwan erinnerte ihn an seine Frau. Ihr Lächeln, ihr Gang, ja selbst der spitze Haaransatz, der ihr in die Stirn ragte wie der Bug eines stolzen weißen Schiffes.
    Die Schwestern waren im Abstand von neun Monaten zur Welt gekommen: Frucht der reichen Kinderernte, die bei wohlhabenden Familien des alten Regimes recht weit verbreitet war. Seine Frau Boua war das mittlere von neun Geschwistern und die einzige Rebellin. Während ihre Familie in der Kaiserstadt dem König diente, plante Boua von Frankreich aus den Sturz der königlichen Familie und die kommunistische Befreiung ihres Vaterlandes.
    Nach acht Jahren war sie nach Laos zurückgekehrt, mit hohen Idealen und einem reichlich verdutzten Mediziner namens Siri als frischgebackenem Ehemann. Aber sie kam nie wieder nach Luang Prabang. Stattdessen schleifte sie ihren Liebsten kreuz und quer durch den Dschungel von Nordlaos und Vietnam und kämpfte mit den Pathet Lao gegen die Kolonialherrschaft.
    Jetzt war sie tot, und Siri war hierhergekommen, um ihrer
Schwester mitzuteilen, dass sie sich auf eine Granate gelegt und den Splint gezogen hatte, um dem Elend ihrer letzten Lebensjahre ein gnädiges Ende zu setzen. Auf diese Weise hatte sie den Depressionen, die erst sie infiziert und dann auch ihren armen Mann befallen hatten, ein Ende machen wollen.
    Aber das sagte er ihr natürlich nicht.Wie auch? Ehrlichkeit ist bisweilen ein schmutziges Geschenk. Sie kann ein sprudelndes Bächlein der Erinnerung in einen trüben Sumpf verwandeln. Und so erzählte er ihr, es habe einen Überfall gegeben, und Boua sei als die aufrechte Patriotin gestorben, die sie auch zu Lebzeiten gewesen sei, voller Hoffnung auf ein neues Regime.
    Wilaiwan nahm die Nachricht zunächst wortlos entgegen, und dann setzten sie sich in die alten Korbsessel auf der Veranda und ließen ungeniert die Tränen fließen.
    Da es in einer Stunde dunkel werden würde, lud sie ihn ein, über Nacht zu bleiben. Ihr Mann habe zwei saftige Welse gefangen, die förmlich darauf brannten, bei einem Fläschchen hausgemachtem Reiswein verspeist zu werden. Und so ging Siri ein wenig spazieren, um den Appetit anzuregen und auf andere Gedanken zu kommen.
    Er überquerte die staubige Kreuzung in der Dorfmitte und schlenderte zum Fluss hinunter. Dort angekommen, folgte er dem Wasserlauf, der sich cremigbraun dahinwälzte wie zähflüssiger Milchkaffee. Er achtete sorgfältig auf seine Schritte, um nicht versehentlich auf eine Hundefurzblume zu treten. Die sinkende Sonne wanderte am anderen Ufer vor sich hin und verschwand immer wieder hinter Bäumen. Die tristen Hügel vor den Toren Luang Prabangs waren mit frisch gedroschenen Feldern übersät, die von fern wie schmerzhafte Hautverpflanzungen aussahen.

    Obwohl kein Zaun ihn ankündigte, fand Siri sich schon bald in einem Obstgarten wieder. Ein Langboot war an einem einfachen Holzsteg festgemacht. Die Bäume standen zwar in Reih und Glied, zeigten aber deutliche Spuren von Verwahrlosung. Sie hingen voller Früchte. Einige waren verfault und ins Gras gefallen. Der Anblick hätte vermutlich jeden anderen Spaziergänger gleichgültig gelassen, Siri hingegen fand ihn geradezu verblüffend. Es gab nirgends Spuren von Vogel- oder Insektenfraß. Kein Tier hatte eine der süßen, saftigen Orangen stibitzt oder die tief hängenden Birnen angeknabbert. Er ging durch die Reihen; Mangostanen, Rambutanen, Rosenäpfel, allesamt prall, reif und unberührt. Es war erstaunlich. Anscheinend hatte nicht einmal der Mensch, das unersättlichste Raubtier von allen, von diesem Garten Eden genascht.
    Ein unbestimmtes Gefühl bemächtigte sich seiner. Obwohl ausnahmsweise einmal kein Toter in der Nähe war, spürte er eine Art Aura: ein Schutzfeld, als würde etwas über die Bäume und die Geister wachen, die in ihnen wohnten. Unter seinen Augen fühlte er sich sicher.
    Er wollte herausfinden, wohin

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