Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
stieß ihre Krallen in die warme Luft.
Eine kleine Gruppe junger Männer, von denen die meisten nicht einmal halb so schwer waren wie das Tier, dem sie zuschauten, saß im Schneidersitz im Schatten eines Dotterbaums.
»Da haben Sie Ihren Herrn Ivanic«, sagte Phot. »Damit verdient er sein Geld.«
Ivanic schnalzte mit der Peitsche. Das Tier glitt langsam zu Boden und musterte die Schüler wie ein Restaurantgast, der die Speisekarte studiert. Ivanic ging zur Rückseite der Turnhalle, wo sich unter einem Baldachin aus Kokosblättern mehrere Käfige aneinanderreihten. Er zog sanft an der Leine, und der Puma folgte ihm.
Diese Nummer führte das Tier seit Wochen täglich vor, und es hatte sich bislang eigentlich nichts dabei gedacht. Heute jedoch musste irgendetwas in den Puma gefahren sein. Ob seine Gereiztheit von der drückenden Schwüle oder dem immergleichen Futter herrührte, war schwer zu sagen. Es schien, als ob er eben erst begriffen hätte, dass er zwar an der Leine lag, ihn das aber nicht daran hinderte, dem dicken Mann ins Kreuz zu springen.
Der Puma beschleunigte seine Schritte, bis das Seil über den Boden schleifte, und verfiel dann in einen schnellen Trab. Die Schüler schnappten nach Luft, brachten vor Schreck jedoch keinen Ton heraus. Der Puma setzte schon zum Sprung an, sein Körper spannte sich wie eine Feder; nur Sekundenbruchteile trennten ihn noch von seiner Beute. Dtui schrie.
Da plötzlich ließ Ivanic, seelenruhig und ohne sich umzudrehen,
den Arm nach hinten schnellen und knallte mit der Peitsche. Das Ende des Lederriemens erwischte das Tier an der Schnauze. Es schüttelte wütend den Kopf, stolperte über seine gekrümmten Vorderbeine, schlug einen vollendeten Purzelbaum und landete vor den Füßen des Russen.
Der Puma wirkte eher gedemütigt als verletzt. Die Schüler applaudierten begeistert, und Ivanic rief ihnen etwas zu. Einer der anderen Dolmetscher, die hinter der Klasse standen, übersetzte.
»Herr Ivanic möchte euch daran erinnern, wie wichtig es ist, dem Tier zu zeigen, dass ihr stets hellwach, stets auf der Hut seid, und dass ihr Augen im Hintern habt.«
Wieder klatschten die Schüler lachend Beifall, und Ivanic führte das kleinlaute Tier zu seinem Käfig. Es ließ sich anstandslos einsperren. Dtui und Phot gingen zu den vier Drahtkäfigen von der Größe eines Rattanballfelds. Die Nachbarn des Pumas waren eine kleine laotische Wildkatze und ein Löwe, der so mager war, dass man auf seinen Rippen hätte Xylophon spielen können. Der vierte Käfig war mit langen, verschossenen Theatervorhängen verhüllt. Andere Tiere, darunter frei laufende Elefanten, Hirsche und Büffel, wanderten paarweise im Hof umher, als seien sie auf der Suche nach einer Arche.
Phot sprach Ivanic an, der sich aufrichtig zu freuen schien. Sie scherzten ein wenig; dann streckte der Russe Dtui breit grinsend seine tellergroße Pranke hin und musterte sie eingehend von Kopf bis Fuß. Sie wich dem Blick aus und ergriff zögernd seine Hand.
»Herr Ivanic ist entzückt, die Bekanntschaft einer wohlgeformten Frau in Schwesterntracht zu machen«, übersetzte Phot.
Obwohl ihre Mutter sie gewarnt hatte, dass alle Männer
aus dem Westen geile Böcke seien, erwischte sie die Begrüßung auf dem falschen Fuß. Zum ersten Mal in ihrem Leben fiel ihr keine schlagfertige Antwort ein. »Es freut mich, dass Herr Ivanic Zeit für mich hat.«
Es war ihr unangenehm, die Hand des Russen im Kreuz zu spüren, trotzdem ging sie mit den anderen in die kleine Turnhalle. Dort setzten sie sich an einen winzigen Kartentisch. Am anderen Ende der Halle verrenkten junge Frauen ihre Gliedmaßen, wie Dtui es selbst in ihren kühnsten Träumen nicht vermocht hätte. Ein Mädchen stand auf einem Bein und presste das andere an ihre Wange, wobei die Zehen zur Decke zeigten. Ivanic bemerkte, wie Dtui das Gesicht verzog.
»Herr Ivanic hat gefragt, ob Sie das auch könnten.«
»Aber ja. Wenn ich mir das Bein vorher ausreißen würde.«
Der Russe schüttete sich aus vor Lachen und wollte sie umarmen. Sie entzog sich ihm, indem sie sich zu ihrer Tasche hinunterbeugte. Sie kramte den Zementabguss daraus hervor und legte ihn auf den Tisch.
»Kann mir Herr Ivanic eventuell sagen, von welchem Tier diese Bissspuren stammen?«
Ivanic griff nach dem Abguss und breitete seine riesige Hand darüber. Dann sah er Dtui an. Diesmal lächelte er nicht.
»Herrn Ivanic würde interessieren, woher dieser Abdruck stammt.«
»Aus dem Garten meines
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