Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!
draußen.
Ihr Vater hatte von diesem Testament gewusst! Was würde noch alles ans Tageslicht kommen? Welche Überraschungen warteten noch auf sie? Allmählich hatte sie wirklich die Nase voll davon!
Nach ein paar Minuten wandte sie sich wieder um und kehrte an ihren Platz zurück.
„Okay, wir können weitermachen“, sagte sie.
„Gut.“ Der Anwalt lächelte sie an. „Dann werde ich Sie nun darüber informieren, woraus Ihre Erbschaft besteht. Aber zuvor möchte ich Ihnen noch etwas anderes übergeben. Einen Brief, den Ihr Vater vor seinem Tod an Sie gerichtet hat.“
Er griff in eine Schublade und holte einen Umschlag heraus.
Isabell kam es vor wie ein Déjà-vu.
„Ich glaube, ich habe gerade eine spontane Abneigung gegen Briefe entwickelt, die jemand kurz vor seinem Ableben verfasst“, murmelte sie vor sich hin.
„Wie bitte?“
„Ach, nichts“, meinte Isabell und lächelte ein wenig schief.
Dann nahm sie den Brief, den er ihr reichte, und steckte ihn in ihre Handtasche. Dabei berührte sie die Zeichnung, die sie am Vortag angefertigt hatte.
Aus einem Impuls heraus zog sie das Blatt hervor und hielt es dem Anwalt hin.
„Hat es irgendeine Ähnlichkeit mit ihm?“, wollte sie wissen.
Verblüfft betrachtete der Anwalt das Porträt, dann Isabell.
„Wo sind Sie ihm denn begegnet?“, fragte er. „Ich dachte immer, Sie hätten sich nicht gekannt.“
„Haben wir auch nicht. Ich habe die Zeichnung gestern angefertigt. Einfach so. Aus dem Gefühl heraus.“
„Das ist unglaublich. Genau so sah ihr Vater aus. Der Mund war vielleicht ein kleines bisschen anders, auch die Frisur, aber sonst … Und Sie sind wirklich sicher, dass Sie ihn nie getroffen haben?“
„Absolut sicher!“
„Ich kann es immer noch nicht fassen.“ Er trank seine Tasse leer und goss sich nach, dann schaute er auf die Uhr. „Oje, jetzt muss ich mich aber ein bisschen beeilen. In einer Viertelstunde werden die Herren Fürsterer hier sein – Sie wissen schon, die entfernten Verwandten von Herrn Baldenau, die ich vorhin erwähnt habe.“
„Und die beiden gehen nun ganz leer aus?“
„Nein, das nicht, aber sie haben sicher etwas anderes erwartet. Und ich möchte, dass Sie über den vollen Umfang Ihres Erbes informiert sind, bevor Sie die beiden kennenlernen. Hier, Frau Tiberius …“, er drückte ihr eine Liste in die Hand, „die werden wir jetzt zusammen durchgehen.“
Sie nickte, und der Anwalt begann mit seiner Erklärung. Doch mit jedem Posten, den er aufführte, wurde Isabell ein wenig blasser.
Eine Villa mit einem riesigen Grundstück in Grünwald. Ein Ferienhaus in Südfrankreich. Eine Wohnung in Barcelona. Eine umfangreiche Kunstsammlung. Antiquitäten. Wunderschöne, kostbare alte Schmuckstücke, die teils von Johannes Baldenaus Mutter stammten, teils später erworben waren. Dazu etliche Luxuswagen, Aktien und Geld – unvorstellbar viel Geld. Fünfzig Prozent der Anteile an der Firma, die er selbst aufgebaut, später dann aber zur Hälfte an Korbinian Fürsterer, den älteren der beiden Brüder, verkauft hatte. Und das waren lediglich die „Filetstücke“ …
„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Dr. Dornbuschen besorgt, als er sah, wie bleich Isabell war.
„Überhaupt nicht“, meinte sie und senkte den Kopf.
„Möchten Sie einen Cognac?“
„Ja.“ Sie sah den Anwalt wieder an. „Aber einen doppelten, bitte.“
Isabell trank einen Schluck und spürte, wie ihr der Alkohol durch die Kehle rann. Sie hustete – und war froh darüber, weil dieser Husten über den wahren Grund hinwegtäuschte, weshalb sie plötzlich Tränen in den Augen hatte.
„Mein Gott, was fange ich denn nur mit dem ganzen Zeug an?“, murmelte sie vor sich hin und trank noch einen Schluck.
***
Isabell stand immer noch unter Schock. Sie reichte Korbinian und Benno Fürsterer zwar die Hand, nahm die beiden Brüder aber nicht wirklich wahr.
Sie war reich! Richtig, richtig reich. Sie konnte es einfach nicht fassen.
Fassungslos war auch einer der beiden Brüder, Beppo, der mit scheinbar unbewegtem Gesicht den Ausführungen des Anwalts lauschte. Nur der mörderische Ausdruck in seinen Augen verriet, was er wirklich empfand.
Da hat dieser verdammte Alte doch tatsächlich Ernst gemacht, dachte er böse. Mit lächerlichen hunderttausend Euro hat er mich abgespeist – ein Witz, wenn man bedenkt, dass er in Geld schwamm.
Zwei Wochen vor Johannes’ Tod war es zu einem heftigen Streit zwischen ihnen gekommen, als er Johannes
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