Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!
gefühlt hätte, hätte er gelacht.
„Meistens“, brummte sie zurück.
„Aber die Patienten …“
„Die werden sich bedanken, wenn sie krank in die Praxis kommen und noch kränker wieder nach Hause gehen, weil sie sich bei Ihnen anjesteckt haben. Nee, nee, wir sagen alle Termine ab. Bei denen, wo’s nicht so dringend ist, ist es eh nicht schlimm, und die anderen müssen eben noch mal zu Ihrer Vertretung gehen. Basta.“ Sie schaute ihn streng an. „Was hat denn Dr. Schubert gesagt?“
„Sie meinte auch, dass ich mich auskurieren soll.“
„Drei zu eins“, murmelte Marie-Luise Flanitzer.
„Ich hab doch schon immer gewusst, dass Ihre Frau Doktor eine vernünftige Person ist“, meinte Schwester Martha zufrieden. „Also dann, Chef, ab nach oben. Und wenn Sie nicht freiwillig jehen, dann schleppe ich Sie huckepack hoch.“
Nun lachte Dr. Frank doch, aber es wurde ein quälendes Husten daraus.
„Sehn Sie – wat ick jesagt hab! Morgen haben Sie dann auch noch Zeit, sich auszuruhen, dann sind Sie am Donnerstag wieder auf dem Damm. Na ja, zumindest halbwegs.“
Als er in seinem Bett lag, gestand sich Dr. Frank insgeheim doch ein, dass es so besser war.
Ich werde alt, dachte er schläfrig. Früher hab ich so was einfach weggesteckt, ein paar Tabletten genommen und den ganzen Tag durchgestanden.
Aber er wusste natürlich auch, dass es Unsinn war, um jeden Preis „durchhalten“ zu wollen. Sein Kopf tat höllisch weh, der Hals kratzte, die Nase lief, und Temperatur hatte er ebenfalls. Zudem war er völlig erschlagen.
Alexandra und seine beiden Sprechstundenhilfen hatten schon recht. Außerdem gab er selbst seinen Patienten ja auch immer wieder diesen Rat: „Schonen Sie sich. Halten Sie Bettruhe. Das hilft meist besser als irgendwelche Medikamente“.
Und so oft war er schließlich nicht krank. Er brauchte also kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er diesen einen Tag ausfiel.
Heute war Dienstag … Dienstag? Dann hatte Isabell Tiberius doch ihren Termin bei diesem Anwalt! Während ihm bereits die Augen zufielen, dachte er noch, dass er ihr alles Gute wünschte.
Hoffentlich wartete keine weitere böse Überraschung auf sie …
***
Isabell arbeitete als freie Grafikerin – ein Luxus, den sie sich dank des Geldes, das sie von Jan geerbt hatte, leisten konnte. Dass sie keine geregelten Arbeitszeiten hatte, gab ihr zudem die Möglichkeit, sich stärker auf ihre Liebhaberei zu konzentrieren: das Malen. Sie war zwar noch keine bekannte Künstlerin, aber einige ihrer Arbeiten hatte sie hier in München bereits verkauft. Ein guter Anfang, wie sie fand.
Am Montag hatte Isabell versucht, sich wieder auf ihre Aufgaben zu konzentrieren und sich abzulenken. Doch mit der Konzentration hatte es einfach nicht klappen wollen. Sie hatte ihre Gedanken nicht beisammenhalten können, war viel zu nervös gewesen. Immer wieder hatte sie sich dabei ertappt, wie sie auf einem Blatt herumkritzelte, statt sich auf ihren Auftrag zu konzentrieren.
Dann war aus dem Gekritzel ein Gesicht entstanden. Ein Gesicht wie ihres. Nur männlicher, kantiger, älter. Ob Johannes Baldenau tatsächlich so ausgesehen hatte, wie sie es sich vorstellte?
Nun war endlich der Dienstag gekommen, und Isabell war immer noch so schrecklich nervös. In einer Stunde musste sie in der Kanzlei sein.
Sie hatte ihr „Business-Outfit“ angezogen: ein dunkelgraues Kostüm, das sie gern trug, wenn sie versuchte, neue Aufträge an Land zu ziehen. Sie fand, dass sie darin kompetent und geschäftsmäßig wirkte – also mochte es auch für das Treffen mit Dr. Dornbuschen die richtige „Rüstung“ sein.
Dennoch hatte sie nicht widerstehen können, dem dezenten Grau einen kleinen Farbtupfer aufzusetzen. Sie trug eine schicke Bluse in einem kräftigen Pink. Am Revers blitzte eine wunderschöne Jugendstilbrosche mit einem großen Rubin, die sie von Jans Mutter geerbt hatte.
Verdammt, dachte sie, während sie noch einmal prüfend in den Spiegel blickte, dann war ja auch Omi gar nicht wirklich meine Großmutter!
Doch, sie sah gut aus. Passend zur Strenge des Kostüms, hatte sie die langen, dunklen und in der Mitte gescheitelten Haare zu einem Knoten zusammengesteckt, doch ein paar vorwitzige Strähnen ringelten sich an ihren Schläfen und lockerten das Bild wieder auf.
Fertig, dachte sie und griff nach ihrer Handtasche. Auf geht’s. Hoffentlich sieht der Anwalt mir nicht an, wie zittrig ich bin.
Im Hinausgehen tat sie etwas, was sie selbst
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